Donnerstag, 20. Dezember 2012

Zeit des Vergessens

Das Ende des Jahres rückt näher und in dieser Zeit versuchen die Japaner sich von all den unschönen Erinnerungen und Ereignissen der letzten zwölf Monate zu befreien.
Und wie macht man das am besten? Richtig, man ertränkt all seine Sorgen in Alkohol!

Statt Weihnachtspartys gibts hier das sogenannte 忘年会 = Bōnenkai was wörtlich soviel bedeutet wie: "Treffen um das Jahr zu vergessen". Und da man seine Erinnerungen und Erlebnisse nicht nur mit den Kollegen von der Arbeit teilt, sondern auch mit privaten Freunden, Mitgliedern des gleichen Vereins, etc., findet dieses Zusammenkommen nicht nur einmal statt, sondern mehrfach. Ich persönlich wurde auf fünf Bōnenkai eingeladen und erfülle damit wohl den Standardsoll. Es gibt aber auch Leute, die zwischen 8-10 Mal das Vergessen feiern, damit es auch wirklich permanent ist!

Bereits stattgefunden haben die Treffen des Darm-Teams und die jeweiligen Bōnenkai von Herz-Kreislauf- und Gastrostation. Am Wochenende folgt dann noch das Trinken mit den Leuten vom Sōjutsu und mit den Medizinstudenten.

Diese Veranstaltungen sind ziemlich groß - das Bōnenkai des Darm-Teams war bisher das kleinste mit ca. 30 Teilnehmern, bei den anderen beiden kamen um die 60 Leute zusammen.
Dementsprechend lebhaft wird die Stimmung dann auch. Es wird meist ein großer Saal in einem Restaurant gemietet für ziemlich exakt drei Stunden. Dann gibt es Essen und Trinken, jeweils für zwei Stunden, danach muss extra gezahlt werden. Und wenn wir schon beim Preis sind: billig ist so 'ne Veranstaltung nicht, die Teilnehmer müssen zwischen 50-100€ blechen, je nachdem, welche Stellung (sprich: was für ein Gehalt) sie inne haben. Wer mehr verdient zahlt mehr. Da ich nichts verdiene zahle ich auch nicht und lasse mich dreister Weise einladen...!
Während der drei Stunden gibt es natürlich ein kleines Showprogramm, bei den Gastrochirurgen gabs ein Bingospiel und ein Schere-Stein-Papier-Turnier bei dem ich gleich mal den zweiten Platz und damit 100€ gewonnen habe (kein Scherz).
Nach dem die Zeit abgelaufen war, gab es eine kurze Abschlussrede, die daraus bestand, dass alle Gäste einmal in die Hände klatschten und sich dann sofort aus dem Staub machten. Hier gibt es kein langes Rumlingern wie in Deutschland, wo sich jeder von jedem verabschiedet oder noch die letzten Gespräche beendet werden - die Japaner sind in dieser Beziehung sehr kompromisslos, wenn Schluss ist, ist eben Schluss. Und dann wird alles Stehen und Liegen gelassen und man verlässt das Restaurant.

Da der Abend ja aber noch jung war, ging ein Teil der Vergessensgesellschaft noch Karaoke singen und ich schloss mich natürlich eifrig an. Um etwas deutsche Stimmung zu verbreiten, schmetterte ich 99 Luftballons durch den kleinen Raum (vor allem, da niemand dabei erkennen konnte, wie grottig ich tatsächlich singe). Danach wurden japanische Lieder angestimmt, es gab heiße Tanzeinlagen zu bestaunen, Ärzte die auf Tische sprangen, ich musste die Knutschattacken einer ca. 60jährigen Schwester abwehren, die just an diesem Abend entschieden hatte, dass ein nichtmal halb so alter deutscher Medizinstudent genau das Richtige für ihre Trophäensammlung wäre und als mir einer der jungen Ärzte auf die Nerven ging, kugelte ich ihm seine Schulter aus.

Mit einer erneut geschrumpften Gruppe zog ich dann noch weiter, um frittiertes Hähnchen und etwas Sake zu verschlingen. Letzten Endes kam ich um halb drei nach Hause und musste am nächsten Tag um 8 Uhr wieder in die Klinik (ging aber tatsächlich erst um 9 und verzichtet ausnahmsweise darauf, OPs zu besuchen).

Das Bōnenkai der Internisten fiel ein klein wenig ruhiger aus, auch weil weniger Teilnehmer vor Ort waren. Großes Highlight war der Krabben-Krebs-Tanz, bei dem ich natürlich mitmachen musste und den wir dann nochmal bei der zweiten Station in einer kleineren Bar vor den anderen Gästen (also wildfremden Leuten) aufführten - unter großem Applaus versteht sich.

Wer diesen Tanz für die Begrüßung bei meiner Rückkehr einüben möchte, der soll sich bitte dieses Video anschauen (und keine Sorge, es ist wirklich nicht schwer zu lernen):



(Und wer sich über den Inhalt des Lieds wundert: es handelt von der großen Liebe der Japaner für Shrimps und Krebs und in welcher Form man die jeweiligen Tierchen am besten verspeist!)


Freitag, 7. Dezember 2012

Kobe-Kicker!

Puh, zwei Wochen im Dauerstress - wenn auch meist der guten Art.
Die Abende an denen ich in den letzten 14 Tagen nicht unterwegs war, kann man an einer Hand abzählen. Aber es gab ja auch viel zu unternehmen.
Unter anderem besuchte ich einen Medizinstudent bei seinem Nebenjob (Barkeeper, der mich netterweise kostenlos trinken lassen hat :D), habe zum ersten Mal Kendo im Univerein trainiert, einen Schrein bei Nachtbeleuchtung angeschaut, wurde von Ärzten zum Essen eingeladen, habe mit Ärzten Fußball gespielt, wurde von Ärzten zum Trinken eingeladen (seht ihr das Muster?), etc.
In der ersten Woche ließ sich das noch gut mit meinem Arbeitsplan vereinbaren, diese Woche wurde es dann doch anstrengend, da ich von Montag bis Mittwoch in jeweils über acht Stunden dauernden OPs teilgenommen hab.

Höhepunkt war aber sicherlich der Ausflug nach Kobe letzten Samstag. Training fiel leider mal wieder aus und ich hatte leider mal wieder keine Ahnung davon. Erneut stand ich also vor verschlossenen Toren. Diesmal war ich aber nicht der einzige Idiot. Einer der beiden anderen Ausländer die hier auch trainieren (es gibt einen [französischen] Schweizer und einen Kanadier) war ebenso ahnungslos wie ich.
Da wir die Anreise nicht vollkommen umsonst unternommen haben wollten, verbrachten wir den Vormittag mit Kaffe trinken und Geschichten erzählen, was auch sehr unterhaltsam war.
Mittags traf ich mich mit drei der jungen Ärzte, die ich auf der Kreislaufstation kennengelernt hatte. Zusammen fuhren wir mit dem Auto nach Kobe, um das letzte Spiel der J-League anzuschauen, dem japanischen Äquivalent der Bundesliga.
Es trafen Sanfrecce Hiroshima auf Vissel Kobe!
Schon vor dem Spiel war klar, dass Hiroshima in diesem Jahr Meister werden würde. Für Kobe war es dennoch ein wichtiges Spiel, da nur ein Sieg sie vom Absteigen bewahren konnte.
Um es kurz zu machen: die Qualität der J-League entspricht nicht den Standards der Bundesliga.
Trotzdem war es lustig anzuschauen, die Partie war aber von Fehlpässen, Stolplern und einem sehr gemässigtem Tempo geprägt. Der Torwart des Meisters begeisterte mit einem Pass im Elfmeterraum auf einen Gegenspieler und einer knappen Parade, die den anschließenden Torschuss gerade noch so vereiteln konnte.
Viele andere Torchancen gab es aber nicht - die Partie ging 1:0 für Hiroshima aus, der Treffer wurde durch einen Elfmeter erzielt.

Nach dem Spiel schlenderten wir etwas durch die Stadt, um unseren Appetit anzuregen. In einer der Einkaufspassagen wurde ich von einer anderen Ausländerin angesprochen, die mich um etwas Geld für eine Spendensammlung bat. Als ich ihr entgegnete, dass ich noch Student sei und mir das derzeit nicht leisten könne, sagte sie eiskalt:
"Du trägst doch Klamotten, also hast du ja wohl Geld!"
Auf dieses Argument ließ ich mich aber doch nicht ein und flüchtete schnell vor der spukigen alten Hexe.

Zum Abendessen gab es das berühmte Kobe-Rind, wenn auch in sehr sehr kleiner Portion, da es sonst unbezahlbar gewesen wäre.
Danach ging es weiter. Ich dachte zunächst, dass wir jetzt den Heimweg antreten würden, da es immerhin eine gute Stunde bis nach Kashihara dauerte und die Zeit schon etwas fortgeschritten war, aber weit gefehlt!
Die drei Ärzte hatten nach einer besonderen Bar für mich gesucht und sie letzten Endes auch gefunden. Zu Stande kam das alles, weil wir an einem anderen Abend über deutsche Bargebräuche gesprochen hatten.
Wir betraten also den mystischen Ort, der sich gut versteckt in einer Unterführung befand und den wohl niemand außer uns gefunden hatte, denn die Bar war bis auf den Barkeeper vollkommen leer.
Meine Adleraugen erspähten aber sogleich den Kern der Magie dieses Ortes:

Ein Tischkicker!

Hierzu muss man sagen, dass den Japanern diese Erfindung so gut wie unbekannt ist. Ich kam schon an die Grenzen meines Japanischs, als ich versuchte den Ärzten zu erklären, wie so eine arkane Maschine denn funktionieren würde und warum das denn Spaß machen soll. Der Barkeeper versicherte uns, dass es in Tokyo zwar einige Kickertische geben würde, in Osaka aber nur diesen einen.
Nicht ganz überraschend kam dann auch die Erkenntnis, dass der Tischkicker nicht ganz originalgetreu aufgebaut war. So gab es 13 statt 11 Spieler und die Anordung war auch etwas gewöhnungsbedürftig - Spaß hatten wir trotzdem!
Und in den Japanern, die zum ersten Mal in ihrem Leben spielten, hatte ich auch endlich Gegner gefunden, gegen die ich eine reale Chance zu gewinnen hatte!!!
Natürlich mussten sie bei einem zu null Sieg auch unter dem Tisch durchkrabbeln :D

Am nächsten Tag besuchte ich Kyoto, dass Wetter war allerdings etwas grau und ich erschöpft von den letzten Tagen, so dass ich nicht allzu lange Zeit dort verbrachte.
Mittags aß ich in einem kleinen Tante Emma Laden eine Portion Udon(Nudeln), da ich mir dachte, mal etwas Geld zu sparen. Als ich dann die erste Kakerlake über den Boden zischen sah, merkte ich, dass das vielleicht keine gute Idee gewesen war.
Ich hatte jetzt zwei Optionen; entweder ich ließ das Essen stehen und verließ mit leerem Magen den Laden, um nochmal Geld ausgeben zu müssen oder ich betete, keine Lebensmittelvergiftung zu bekommen, aß artig und zügig auf und hoffte, dass sich keine Kakerlaken in meine Klamotten gesetzt hatten, um sich anschließend in meiner Wohnung zu verbreiten.
Natürlich entschied ich mich für die zweite Option.
Die Tempel und Schreine Kyotos dankten es mir, da ich an jedem Halt machte, um zehn Yen in die Opferkiste zu werfen und für eine gesunde Verdauung zu beten.
Offensichtlich waren mir die Götter wohlgesinnt, da ich keinerlei Schwierigkeiten in dieser Hinsicht hatte!


Von links nach rechts: Fukuba, Marcel, Takeda und Urate


Die japanische Tischkickerpose!


Das obligatorische Gruppenbild


Schreinwächter in Kyoto


Wunderschönes Kyoto, auch bei grauem Himmel (Kyomizudera)


Herbstblüte - der Grund für tausende Japaner nach Kyoto zu reisen


Tausende Japaner in Kyoto


Tradition mitten in der Stadt



Samstag, 24. November 2012

Ninjas, Samurai und alte Weggefährten

Zwei Wochen Chirurgie - Check!
So, und jetzt reicht's auch wieder, oder?
Zum Glück ists nicht so schlimm, aber ich kann definitiv sagen, dass die Chirurgie mir auch zukünftig gestohlen bleiben kann.
Die Ärzte scheuen wirklich keinerlei Mühen mir ihr Lieblingsfach schmackhaft zu machen, aber Hopfen und Malz ist bei mir wohl vergeudet. Die verschiedenen Phasen, die ich während einer OP durchmache schauen ungefähr so aus:

Phase 1: reges Interesse
Einigermaßen gespannt gehe ich in den OP-Saal, natürlich schön verpackt in OP-Kittel und mit frisch gewaschenen Händen. Die Japaner lieben die in ihrem Land vorherrschende Hitze, so dass auch im OP-Saal regelmässig auf über 23°C geheizt wird. Und unter dem jeglichen Luftweg abschneidenden Kittel herrscht bald eine recht unangenehme Wärme, die mir Schweißtropfen auf die Stirn treibt.
Trotzdem vergeht die erste Stunde in der Regel recht flott - bis die nächste Phase einsetzt:

Phase 2: Langeweile
Nach dem die ersten Zugangswege zu den jeweiligen Organen freigelegt wurden, gehts an die Fisselarbeit. Jetzt werden Arterien und Venen gesucht, Fettpfropfen und Lymphknoten in mühseliger Kleinstarbeit entfernt und ich darf Magen, Darm oder Haken halten. In dieser Phase wird mir die Sicht meistens von den operierenden Ärzten versperrt, so dass meine Gedanken schon bald abdriften. In meinem Kopf dreht sich dann alles um entscheidende Fragen, wie: was esse ich heut mittag? Muss ich zu Hause mal wieder durchsaugen? Warum fängt mein rechtes Ohr immer dann an zu jucken, wenn ich mich steril gemacht habe? Aufjedenfall hat nichts davon mit Chirurgie oder Medizin zu tun.

Phase 3: Apathie
Die wohl gefährlichste aller Phasen! Langeweile vermischt sich mit Müdigkeit und bildet eine explosive Kombination! Mein Gehirn hat mittlerweile auf Schlafmodus umgeschaltet, während mein Körper mit letzter Kraft versucht, Stehen zu bleiben und nicht mit dem Gesicht zuerst in die klaffende OP-Wunde zu fallen. Meine Phantasie fängt an, jedes sichtbare Objekt in Tagträume zu verwandeln. Plötzlich werden die japanischen Chirurgen zu Skalpell werfenden Arztninjas, die in dem Körper eines gefallenen Feindes nach geheimen Techniken forschen, die ein anderer Ninjaclan dort versteckt hat.
Der Übergang zu Phase 4 ist flüssig...

Phase 4: Hunger
Noch immer stark von Phase 3 beeinflusst, also mit überschwinglicher Imaginationsfähigkeit gesegnet, drängt sich jetzt auch noch die Leere meines Magens in mein Bewusstsein. Jetzt fängt das große Fettnetz des Patienten, das mit kleinen roten Blutsflecken gesprenkelt ist, plötzlich an, wie der Belag einer köstlichen Pizza Margherita auszusehen. Das Kauterisierungsmesser verströmt leckeren Grillgeruch bei jeder zischenden Berührung mit Menschenfleisch.
Nur übermenschliche psychische Anstrengung kann mich jetzt noch im Zaun halten. Glücklicherweise bleibt den anderen Anwesenden verborgen, wie mein Speichel hinter meiner Maske aus meinem Mund fließt.

Phase 5: Euphorie
Die OP ist vorüber, statt sieben hat sie nur sechs Stunden gedauert! Ha! Ein Kinderspiel! Das gleiche könnt ich grad nochmal durchmachen! Lächerlich!
Und dann geh ich doch nach Hause...


Neben diesen anstrengenden Arbeitstagen hatte ich diese Woche auch sonst volles Programm:
Übers Wochenende kam mich Kazumi besuchen, die vor acht Jahren meinen Platz in der Kommerfamilie eingenommen hatte. Zusammen sind wir nach Iga, DEM Ninjadorf schlechthin gefahren, wo eine (Fake-)show gezeigt wurde, aber hey, Shurikenwerfen auf knapp zehn Meter war schon ziemlich beeindruckend.
Leider hats ziemlich geschüttet, weshalb wir schnell in ein Onsen-Bad geflüchtet sind.
Am nächsten Tag besuchten wir Yagyu, das Dorf der alten Yagyu-Familie, die die Schwertmeister der Shogune stellte. Hier konnten wir zum einen die ehemalige Residenz, so wie die Gräber der Familie und das (erneuerte) Dojo betrachten. Gerade in dieser Jahreszeit war es ein wunderschöner Ausflug - das Dorf befindet sich mitten in den Bergen, also direkt im Nirgendwo und bietet vorallem viel schöne Natur.

Unter der Woche war ich Fußballspielen, hab einen Case Report vortragen müssen, hab Eintopf mit Studenten gekocht, mir den neuen Evangelionfilm im Kino angeschaut und wurd zum Essen eingeladen. Heute abend wird also nur ausgeruht, damit das klar ist!

Uuuund Photos:

 Mit Kazumi in Iga


 Im Ninja-Haus, komplett mit Falltüren, Schwertverstecken uuuund pinken Ninjas -.-


 Kurz nachdem der Daimyo diesen Helm vom Shogun verliehen bekam, verlor er sein Leben in einer großen Schlacht...vermutlich ist er zwischen zwei Bäumen hängen geblieben...(Im Uenoschloss von Iga)


In der alten Yagyu-Residenz


Eine Zeittafel, die verschiedene Schwertkünste, insbesondere aber die Yagyu-Shinkageryu abbildet.
Oben sieht man die Jahreszahlen, relativ zentral eingekästelt steht die "Shinto-Ryu", also meine Schwertschule (hier wird interessanterweise kaum zwischen Katori und Kashima Ryu unterschieden, ob das an mangelndem Wissen liegt, oder die Shinto-Schulen tatsächlich als Einheit betrachtet werden konnte ich aber noch nicht herausfinden.)


 Auf dem Weg zum Yagyu-Dojo und Grab


Vergrößert sieht man hier Ausschnitte des Yagyu-Shinkageryu Curriculums.


Und es gab viele Tsuba (noch dreimal soviele wie hier abgebildet)


Die Gräber der berühmtesten Yagyu: Munetoshi, Muneyori und Mitsutoshi


Das (erneuerte) Dojo, schön gelegen auf einem Berg mit wunderbarer Aussicht. War aber leider nicht betretbar und laut meinen Informationen wird hier auch nur noch Kendo, kein Koryu mehr trainiert.


Der Itto-Ishi. Die Legende besagt, dass ein Yagyu hier einst gegen einen Tengu, einen langnasigen Dämon, gekämpft hat. Der Schlag, der den Tengu niederstreckte, teilte auch den Stein entzwei, auf dem der Dämon stand.


Nabe(eine Art Eintopf)-Party bei mir zu Hause!

Montag, 12. November 2012

Diesmal wirklich...

Die erste Hälfte meines Japanaufenthalts ist nun rum, das erste meiner PJ-Quartale abgeschlossen - und diesmal vollkommen regulär!

Die letzten beiden Wochen habe ich (wie bereits beschrieben) bei den Gastroenterologen verbracht, um nochmal etwas Abwechslung zum Katheteralltag der Kardiologie zu bekommen. Nach zwei Wochen muss ich allerdings auch sagen, dass ich erstmal genug von der Endoskopie gesehen habe. Wenn man nur Zuschauen darf, ist das eben wesentlich uninteressanter, als wenn man selbst eingreifen kann. Aber ansonsten hat sich die Zeit hier sehr angenehm gestaltet. Ich habe viele Unterrichtseinheiten mit den Studenten zusammen verbracht und da deren Unterricht meistens nicht so lange gedauert hat, waren es durchaus sehr entspannte Tage.

Da mein Speertraining die letzten beiden Wochen ausgefallen ist, musste ich mir einen anderen Sport suchen und hab die Japaner zu einem Fußballduell herausgefordert. Hier gibt es schöne Kunstrasenplätze, die ähnlich groß wie die Hallenplätze in Mannheim sind - aber eben wesentlich besser in Schuss und trotzdem noch bezahlbar (knapp 10€ für zwei Stunden). Allerdings gelten hier gewisse Regeln auf dem Platz, eine Art Gentlemen's Agreement, was es meinen Mannheimer-Fußballkollegen evtl. schwer gestalten würde hier teilzunehmen. Es wird vor Beginn der Partien von allen das Versprechen abgenommen, schön sanft zu spielen, keine harten Bälle zu schießen, nicht zu Grätschen und auch weitest möglich auf Körpereinsatz zu verzichten. Also vollkommen konform mit meinem Spielstil....*hust hust*
Der Ottonormal-Japaner ist eben noch nen Ticken schlanker als ich und ein paar Zentimeter kleiner. Die kippen schnell mal um, selbst wenn man sanft spielt... o.O

Ansonsten gab es noch das Abschlusstrinken des Unifests. Tatsächlich gibts für jeden einzelnen Uniclub, der irgendwas organisiert hat, ein eigenes Event und dann nochmal ein großes für das gesamte 5. Jahr der Medizinstudenten. Da manche Studenten aber bei mehreren Ständen oder Veranstaltungen mitgeholfen haben, auch wenn sie nicht zum jeweiligen Club gehörten, war das für die ein ziemlicher Trinkmarathon in den letzten Tagen, da sie natürlich jedes Treffen mitnehmen mussten.
Das ist besonders erwähnenswert, da dieses Abschlusstrinken natürlich wie die meisten japanischen sozialen Ereignisse unter der Woche stattfindet. Wir waren in einem Restaurant wo es für zwei Stunden All-You-Can-Eat&Drink gab. Während dieser Zeit wurde gebechert was das Zeug hielt (für japanische Verhältnisse zumindest, aber diesmal habe ich einen Zahn zugelegt und konnte so vom Pegel her beinahe mithalten). Und danach ging es weiter, zu einer Studentin nach Hause - die ursprünglichen 50 Teilnehmer hatten sich mittlerweile auf 10 verringert - wo wir bis 4 Uhr morgens weiter getrunken haben...zumindest ich hab getrunken, die Japaner waren ziemlich fertig zu der Zeit... :/
Aber wie gesagt, das war Dienstag abends. Am nächsten Tag hatten alle um 9:00 Uhr Univeranstaltungen, wobei man sagen muss, dass die Anwesenheitspflicht hier nicht sehr streng ist. Es reicht, wenn man innerhalb von zwei Wochen vier Unterschriften sammelt und an manchen Tagen bekommt man zwei.
Trotzdem machte sich wohl ein Großteil der Japaner auf den Weg in die Uni, total fertig und verkatert natürlich und während der einzelnen Veranstaltungen immer wieder einnickend, aber hey, sie waren da.
Ich hingegen schwänzte den Vormittag des nächsten Tages. So wichtig war mir die nächste Endoskopieuntersuchung dann doch nicht und mein Kater wollte mir bis zum Abend auch nicht von der Seite weichen...

Das letzte Wochenende verbrachte ich mal wieder bei meiner Gastfamilie - das gibt mir immer ein wenig Ferienfeeling.
Und heute fing dann das gefürchtete Chirurgiequartal an.
Ich durfte erstmal in einer fünfstündigen Pankreas-OP teilnehmen, ab und an Magen, Darm oder Haken halten, was ja schon ganz spannend und interessant ist. Trotzdem glaube ich nicht, dass ich mich für die Chirurgie begeistern werden kann. Das ewige Rumgestehe und die Fisselarbeit ist einfach nichts für mich. Die Ärzte sind aber zumindest nett und entsprechen auch nicht dem deutschen Chirurgenklischee. Sergio hat weiterhin behauptet, dass hier einige gutes Englisch beherrschen würden, ich bin mal gespannt, ob ich die auch noch treffen werd!

Dienstag, 30. Oktober 2012

Allein aber nicht verloren

Der Tag des Grauens war gekommen. Die Vorbereitungen hatten einige Zeit in Anspruch genommen, aber selbst diese Beschäftigung konnte mich nicht von den bevorstehenden Schrecklichkeiten ablenken. In mühevoller Kleinstarbeit hatte ich eintausendundein Taschentuch aneinander gebunden. Diese Tuchkette befestigte ich still und heimlich am Heck des Flugzeugs, natürlich unbemerkt vom Flughafenpersonal.
Sobald das Flugzeug abheben würde, sollte diese Abschiedskette im Winde flattern, als würden eintausendundein Japaner mit ihren Taschentüchern zum Abschied winken. Und Sergio konnte dieses Spektakel mit jedem Blick aus dem Kabinenfenster beobachten...

Naja, ganz so dramatisch und physikalisch unmöglich war es dann doch nicht, trotzdem hat Sergio mich vor einer Woche verlassen. Jetzt bin ich den Schlitzaugen also wirklich ausgeliefert!
Die gemeinsam hier verbrachte Zeit wurde aber natürlich noch ausgiebig begossen.
Mit einigen japanischen Studenten zusammen sind wir zunächst Essen gegangen, danach mit etwas anderer Besetzung (die Japaner hatten sich immer nur für einen Teil des Abends angemeldet, so dass wir insgesamt mit fast 20 Leuten unterwegs waren, obwohl zu jeder Zeit meistens nur 8-10 anwesend waren) Karaoke grölen und zuletzt zu mir, um den Japanern zu zeigen, was es wirklich bedeutet zu "Trinken"! Von den am Ende sieben (oder acht...?) anwesenden, lagen fünf niedergestreckt am Boden, als die Nacht von den ersten Sonnenstrahlen vertrieben wurde.


Wobei ich gestehen muss, dass sie sich für Japaner ziemlich gut geschlagen haben und mein Brummschädel am nächsten Tag war auch nicht so ohne...

In der darauffolgenden Nacht (Samstag auf Sonntag) nahm Sergio den Bus zum Flughafen um 5:30 Uhr. Jaaaa, da hab ich noch geschlafen :D
Aber dafür machten wir zumindest einen Teil der Nacht zusammen durch und gingen um 1:00 Uhr nochmal schnell im Supermarkt einkaufen - sehr praktisch so ein Laden der immer auf hat - 365 Tage im Jahr.

Um in meiner Einsamkeit zu versauern, ließ ich mich von der Ärztin, die sich bisher die meiste Zeit um mich gekümmert hat, zum Udon-Kochen (Weizennudeln) einladen. Gemeinsam mit ihren drei Kindern und ihrem Ehemann rollte ich den Teig aus und schnitt ihn in dicke Fäden - die später zu schmackhaften Nudeln gekocht wurden.
Am selben Tag fand auch ein kleines Stadt-/Tempelfest statt, dass wir noch besuchten. Da noch über 20 Grad herrschten fühlte es sich beinahe wie ein deutscher Spätsommertag an. Mittlerweile ist es hier aber auch etwas abgekühlt und selbst tagsüber werden nicht immer 20 Grad erreicht...

Letzte Woche schloss ich auch meinen ersten Teil des PJs ab - die Herz-Kreislaufstation habe ich mit dem gestrigen Tag verlassen und mich jetzt zu den Gastroenterologen begeben.
Hier verbringe ich nur zwei kurze Wochen, bevor es dann in die Gastrochirurgie geht.
Bisher kann ich mich auch hier alles andere als beklagen. Es werden mir vorallem verschiedenste endoskopische Eingriffe gezeigt - hier sind die Japaner technisch sehr weit fortgeschritten, haben aber auch eine der höchsten Speiseröhren- und Magenkrebsraten (heißt hier übrigens auch Magenkrebsu :D ). Es sieht allerdings so aus, als würde ich in den zwei Wochen nur Zuschauen können, naja.

Am Wochenende fand hier das jährliche Unifest statt, das sich nicht sehr von deutschen Schulfesten unterscheidet (generell gilt die Uni in Japan eher als weiterführende Schule, im Gegensatz zu Deutschland wo sie eine vollends eigene Entität darstellt. Eine richtige Unterscheidung zwischen Schülern und Studenten gibt es z.B. nicht). Es gab verschiedenste Essensstände, Bandauftritte und ein Skill-Lab, in dem die Besucher alle möglichen medizinischen Tätigkeiten an Puppen ausprobieren konnten (Blut abnehmen, Trachealtubus legen, Ultraschall, etc.).
Diejenigen meiner Kommilitonen, die sich noch an das Thesima erinnern können: die ganzen Puppen dort sind auch japanischer Machart, hier werden die gleichen Dinger verwendet, meist aber etwas neuere Modelle. Und, wie gesagt, sie haben auch ne Puppe, an der man abdominellen Ultraschall üben kann, das war ziemlich cool.
Später wurde noch ein Case-Report Video gezeigt, in dem ich den Patienten gespielt hab. Das war etwas grotesk, da die Japaner von mir verlangt hatten, sie mit Tomatensaft zu bespucken...
Sobald ich das Video bekomme, werde ichs euch natürlich zukommen lassen ^^
Gekrönt wurde das Spektakel von einer "Theateraufführung" der verschiedenen Clubs. In Japan gibt es kaum Vereine, Sport- und Freizeitaktivitäten werden in der Regel von den Schulen oder Unis organisiert. So wird hier Fußball, Tennis, Judo, Kendo, u.v.m. angeboten.
Fast jeder dieser Clubs hat am Ende des Fests ein kurzes Stück aufgeführt, das meistens nicht länger als fünf Minuten gedauert hat. Es gab zwei wichtige Regeln für die Aufführung:

1. es sollte möglichst grotesk ausfallen
2. irgendein sexueller Kontext sollte vorhanden sein (und es treten nur Männer auf, die sich ggf. auch als Frauen verkleiden)

Selbst jetzt muss ich noch den Kopf schütteln wenn ich mich an die verschiedenen Vorstellungen erinnere...
Ursprünglich hat das tatsächlich einen traditionellen Kern, viel Sinn gibt es trotzdem nicht.
Ich wurde unter anderem Zeuge von "Tampon-Man", der zwei holde Jungmännerfrauen aus den Klauen der bösen "Blutungen" befreite, musste mir mitanschauen, wie eine japanische Großfamilie eine Inzestorgie startete (der "Onkel" hatte einen Dildo auf seinen Kopf geklebt...) und wurde gezwungen einen Japaner, der nichts anderes trug, als einen Netzanzug und ein kleines "Hello Kitty"-Pappschild, dass sein bestes Stück kaum bedeckte (bei 16° abends), bei Golfübungen zu beobachten.
Alle diese Vorführungen haben ungefähr das Niveau von dreizehnjährigen Kindern, die zum ersten Mal Aufklärungsunterricht in der Schule erleben.
Ich kann aber nicht leugnen, dass wenn man seinen Intellekt ausschaltet, man über einige Dinge doch herzhaft lachen konnte. Andere verstörten einen aber schlicht und ergriffen und ich werde diese grässlichen Bilder bis zu meinem Lebensende nicht vergessen können...soviel zum Thema "Erinnerungen an Japan"!
Zu eurem Glück habe ich von den Vorführungen aber keine Photos geschossen, ansonsten würde mein Blog aber auch die Jugendfreigabe verlieren...

Zum Abschluss noch ein paar Photos - mir wurde ja von verschiedenen Quellen zugetragen, dass ich zuviel schreibe und ich will euren zärtlichen Verstand bloß nicht überlasten!


Blick vom "Nigatsudo"-Tempel auf Nara (das große Dach hinter den Bäumen gehört zum Todaiji!)



Sergio vorm Schloss Hikone, unsere letzte gemeinsame Tour



Auf zur Herrschaft über Japan!



Abschiedsessen


Abschiedskaraoke

 Abschiedsphoto






Beim Udonschneiden mit Zuschauer



 Photo mit der Familie Hasegawa



Der Kashihara-Jingu, tatsächlich einer der größten Schreine Naras und nur 2 km entfernt von meiner Haustür



Was man leider kaum erkennt ist tatsächlich ein Pikachumobil!
Warum es hier rumgefahren ist, weiß ich nicht, ein Photo gabs trotzdem!!!!






Freitag, 12. Oktober 2012

Abgeschlossen!

Ha, hier ausnahmsweise mal ein schnelles Update:

Ich hab heute die Unterschrift für meinen Quartalsbogen bekommen, d.h. ab jetzt muss ich nicht mehr in die Klinik gehen, da sie mir eh nichts mehr können!!!
Naja, in nem Monat muss ich dann halt immer noch vor den Chirurgen auftauchen und außerdem brauch ich noch nen Stempel vom Dekan, also sollte ich mich ab und an doch noch blicken lassen...

Außerdem habe ich heute meine Aufenthaltsgenehmigung für die nächsten vier Monate bekommen, wer also gehofft hat, dass ich deportiert werd und früher nach Hause komme, den muss ich leider enttäuschen.
Netterweise hat mir das Konsulat in Deutschland gesagt, dass man als Deutscher keinerlei Visum für Japan bräuchte, sofern man sich nicht länger als 6 Monate dort aufhält und kein Geld verdient.
Das stimmt aber nur bedingt, zumindest nach allem was ich nach einiger Internetrecherche herausgefunden habe.
Wenn man in Japan studieren möchte, wird an und für sich schon ein Visum benötigt. Im PJ ist das so eine Sache, da man ja keinerlei Noten oder Credits bekommt und man häufig gar nicht an einer Uni eingeschrieben ist. Was ich hier mache geht eben als Clinical Clerkship an der Uniklinik Nara durch, theoretisch gibt es dafür keinerlei Voraussetzung, hätte ich lieb gefragt, hätte ich vielleicht auch meinen medizinisch unwissenden Bruder an die Klinik als Praktikanten verkaufen können...
Lange Rede kurzer Sinn, ich musste also den Immigration Officers erklären, was ich hier ein halbes Jahr treiben würde, ohne speziell zu erwähnen, dass ich hier einen Teil meines Studiums ableiste.
Größte Sorge hatte ich bei der Angabe meiner Adresse. "Nara Medical University Guest House" lässt nicht allzu viel Spielraum bei der Interpretation der Absichten des Antragsstellers.
Interessanterweise wurde ich allerdings nicht danach gefragt, sondern was bitte Hozoin-Ryu Sojutsu sei und ob es mit Drogen, Menschenhandel oder Prostitution zu tun hätte...
Letzten Endes wurde mir die Aufenthaltsgenehmigung erteilt und kostete mich nochmal fast 40€ - ein in Deutschland beantragtes Visum hätte mich nach meinem Wissen weniger gekostet und mir mehr Freiheiten erlaubt (fast beliebig verlängerbar, ich wär in der Lage ein wenig Geld zu verdienen, etc.)...
Mein Rückkehrdatum steht damit auch fest und ich habe es nochmal um ein paar Tage nach hinten verschoben, um wirklich alle 180 Tage die mir jetzt zustehen in Japan zu verbringen. Am 13.02.2013 werde ich abends in Deutschland aufschlagen, hoffentlich nicht zu hart. Und ich freue mich schon auf den nächsten Tag, an dem ich dann morgens gleich wieder anfangen darf zu arbeiten...

Noch einige lustige Details und Hinweise, die ich bei meinem letzten Post vergessen hatte:

-halbiere immer die Zeitangabe die Japaner für Laufdistanzen machen. Die Immigration Officers schickten mich zur nächsten Post: "Mindestens zehn Minuten zu Fuß, wollen Sie das wirklich laufen?", fragte mich einer der beiden entsetzt.
Nach zehn Minuten war ich zurück und hatte alles erledigt. Das geht immer so...

-eine weitere wichtige Zutat von Sukiyaki: rohes Ei, verrührt in einem Schälchen, in das man das Fleisch und die restlichen heißen Zutaten tunkt, damit man sich nicht die Zunge (zu arg) verbrennt.

-als ich letztens von Nara nach Hause fuhr, kam ein anderer Ausländer auf mich zugestürzt. Mit zitternder Stimme erzählte er mir, dass er es irgendwie geschafft hätte, sein gesamtes japanisches Geld zu verbraten, jetzt aber unbedingt zur Hochzeit seines besten Freundes müsse und Geld für ein Ticket bräuchte (obwohl er bereits im Bahnhof war - in Japan löst man die Tickets vorher und kann nur mit gelöstem Ticket den Bahnhof betreten und verlassen). Das ganze klang schon arg verdächtig, aber er bot mir an, (süd-)koreanische Won gegen meine Yen zu tauschen. Ich hatte eh nur 2000 Yen bei mir (knapp 20€) und er zeigte mir auf seinem iPhone den aktuellen Umrechungungskurs. So richtig wohl fühlte ich mich bei der Sache nicht, aber ich sagte mir, 20€ kannst du im Notfall verkraften und wenn du jemals in einer ähnlichen Situation stecken würdest, würdest du einem Fremden, der dich daraus rettet, die Füße küssen. Wobei letzteres sicher nicht der entscheidende Punkt war, der mich dazu brachte, dem Tausch einzuwilligen.
Als ich nach Hause kam (die Post und damit die nächste Bank hatte bereits geschlossen) checkte ich sofort den Umrechnungkurs, vielleicht hatte er ja irgendein cleveres "Wir verarschen andere Ausländer am Bahnhof"-Programm auf seinem iPhone installiert. Tatsächlich hatte ich einen Gewinn von 200 Yen - fast 2€ zu verbuchen!
Gute Taten zahlten sich in dieser Welt also doch aus und freudestrahlend sprang ich bei nächster Gelegenheit zur Bank.
Nur, dass Wechselkurse in Japan generell sehr schlecht ausgelegt werden, bzw. die Banken vieeel für sich beanspruchen. So bekam ich von meinen 20€ nur 17€ wieder....ich werde nie wieder jemandem in Not helfen!

-eine sehr amüsanter Situation bei meiner mittwöchlichen Party hatte sich entwickelt, nachdem mein Chefarzt mich bat, den Japanern ein deutsches Schimpfwort beizubringen.
Es saßen dann dreißig erwachsene Menschen in einem Raum, die fünf Minuten lang "SCHEIßE" im Kanon riefen.

Und damit ihr nicht nur lesen müsst:


Reisfelder bei Kashihara


Der Wald um und auf dem Unebi-Berg bei Kashihara, in der Nähe des Grabes von Kaiser Jinmu, dem ersten (und vermutlich nur mythischen) Kaiser Japans überhaupt.


Festessen für deutsche Superstars, von links nach rechts:
Arzt im Praktikum (besoffen), Chefarzt (besoffen), Facharzt (besoffen), Marcel (nüchtern)



So eine Tür will ich in meinem zukünftigen Haus auch haben, für ungebetene Gäste...oder meine Freunde! Nur der Graben sollte etwas weiter ausfallen...und vielleicht einige Krokodile oder Haie beherbergen...


Donnerstag, 11. Oktober 2012

Das Fressen ist vorbei!

Puh, gerade bin ich durch meine Haustür gestürzt, auf der Flucht vor tosendem Regen, der die Straßen überschwemmt.
Gerade ist der Taifun verzogen, kommt schon ein Tornado, der über die nördlichste Insel Hokkaido hinwegfegt. Und der bringt uns in Nara natürlich auch ein schönes Unwetter.
Um ehrlich zu sein, die letzten Tage waren alles andere als von schlechtem Wetter geprägt.
Mittlerweile hat sich ein recht angenehmer Spätsommer eingestellt, die Temperaturen liegen mittags so um die 26°C und seit dem Taifun vor zwei Wochen gab es keinerlei Regen und kaum Wolken.
Sonntags habe ich mir sogar ein wenig Sonnenbrand zugezogen...und ihr friert euch eure Hintern ab? :D

Mit dem heutigen Tag ist auch mein Fressmarathon beendet, wobei ich durchaus sagen muss, dass ich ihn genossen hab.
Letzte Woche Donnerstag wurde Sergio und mir ein großes Essen im europäischen Stil von der Frau des Dekans der Uni  zubereitet. Es gab Würstchen und Kartoffelbrei und Kohl, der als Sauerkraut durchgehen sollte. Dazu einen (etwas zu) lieblichen Riesling aber alles in allem war es doch mal wieder ganz schön, etwas "heimischeres" Essen zu genießen. Und auch wenn der Geschmack deutlich von dem der deutschen Küche abwich, war alles doch sehr sehr lecker.
Der Dekan wohnt im wohl begehrtesten (und dementsprechend teuersten) Viertel Naras, am Rande des großen Nara-Parks, wo sich auch die meisten Rehe der Stadt aufhalten. Bis zum Todaiji dauert es wohl nur fünf Minuten zu Fuß. Dafür muss man aufpassen - wenn man vergisst die Garten- oder Haustüre zu schließen, flitzen die Rehe blitzschnell ins traute Heim und fressen alles, was sie in ihre Mäuler stopfen können.
Wer in solch einer Lage wohnt, der kann natürlich nicht selbst einen fahrbaren Untersatz steuern. Deshalb stellt die Uni dem Dekan großzügigerweise einen Chauffeur inklusive zugehörigem Wagen (natürlich ein Mercedes Benz) zur Verfügung. 7 Tage die Woche, rund um die Uhr. Und er kann damit überall hinfahren wo er will - eine Unterscheidung zwischen Dienst- und Privatfahrten gibt es nicht...!

Während dem Essen entwickelte sich ein angeregtes Gespräch. Sergio zuliebe auf Englisch, aber da der Dekan äußerst gut Englisch sprechen kann, gab es ausnahmsweise auch keine Probleme hierbei.
Wir plauderten über Gott und die Welt, die Unterschiede zwischen Deutschland und Japan, die Entwicklungen im asiatischen Raum und insbesondere die momentane Krise zwischen China, Korea und dem Land der aufgehenden Sonne.
Sergio hatte dieses letzte Thema angeschnitten und ich befürchtete schon, dass er hiermit den Abend frühzeitig beenden würde. In der Regel ist es nicht sehr leicht, mit Japanern über Politik zu reden, oder generell zu diskutieren. Unterschiedliche Meinungen werden eher nicht in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt und Meinungsunterschiedlichkeiten häufig mit einer knappen Bemerkung beiseite gelegt, ohne einen Konflikt auszuleben.
Zu meiner Überraschung stellte sich der Dekan aber als wirklicher Mann von Welt heraus, mit dem es sich vollkommen frei debattieren ließ. Dabei war er auch jeglichen Gedanken unsererseits sehr aufgeschlossen. Ganz anders als ein Großteil der Menschen mit denen ich mich in meinem Leben unterhalten musste, die von sich selbst glaubten, schon viel erreicht zu haben, nur weil sie einen Titel trugen oder ein gehöriger Altersunterschied vorlag.
Alles in allem also ein äußerst angenehmer Abend!

Freitags fraß ich mit den Ärzten meiner Station und der Studenten des 6. Jahrgangs, die mittlerweile in gehörigem Lernstress stecken, da ihr Staatsexamen im April nächsten Jahres ansteht.
Für Sonntag hatte ich mich mit Sergio und Marika verabredet. Marika hatte Tickets für eine Ikebana und Sado Ausstellung in Kyoto besorgt - also Blumenstecken und Teezeremonie.
Dummerweise tauchte das finnische Gör nicht zur abgemachten Zeit am Treffpunt auf. Sergio und ich warteten eine Stunde - aber vergebens. Sie kam und kam nicht und da sie kein japanisches Handy besitzt, konnten wir sie unmöglich erreichen. Wie gesagt, sie hatte die Tickets und wir wussten noch nicht einmal, wo der Spaß stattfinden sollte, da sie es nicht für nötig gehalten hatte, uns darüber zu informieren.
Nach dieser Wartezeit entschlossen wir uns, alleine nach Kyoto aufzubrechen. Sergio wollte so oder so noch Omiyage kaufen und ich hatte es bisher noch nicht in diese wunderbare Stadt geschafft.
Etwas ziellos schlappten wir den Tag über durch die alte Kaiserstadt - Spaß hatten wir aber allemal!

Dieses Wochenende stellte eine willkommene Essenspause dar. Mein Magen hatte etwas Zeit sich in eine größere, mächtigere Form zu transformieren, so dass ich montags bereit war, die nächste Etappe in Angriff zu nehmen.
Ab mittags war ich bei einem meiner Ärzte nach Hause eingeladen, gemeinsam mit drei anderen Kollegen aus der Klinik, sowie der Familie einer dieser Ärztinnen.
Wir fingen um 14:00 Uhr an zu Essen und nach einem kleinen Mittagessen kamen Snacks und Süßigkeiten, bis ein mächtiges Abendessen aufgetischt wurde.
Es gab Sukiyaki - ein großer Pfannen-Topf-Hybrid wird mit Fett eingeschmiert und dann wird Gemüse und Fleisch mit viel Zucker und Sojasoße da drinne zubereitet. Was sehr einfach klingt ist extremst lecker und noch am nächsten Tag konnte ich kaum frühstücken, da ich soviel gegessen hatte, wie mein schmächtiger Körper vertragen konnte ohne bei der geringsten Berührung zu platzen.
Doch nicht genug, "Da du extra aus Deutschland den weiten Weg nach Japan gekommen bist, müssen wir doch noch was Trinken gehen!", sagte der Gastgeber und schwupps waren wir in der nächsten Bar und ließen uns mit Cocktails zulaufen, während der Arzt ständig Knabberzeugs und Schokolade(!) nachbestellte und seine Gäste quasi zwang alles zu essen und zu trinken was vor ihnen stand.
Sich dagegen zu wehren wurde durch die Tatsache erschwert, dass wirklich alles vor Ort sehr schmackhaft war (nagut, die Cocktails waren so lala und für meinen Geschmack auch zu lasch, aber mehr vertragen die Japaner eben nicht). Als ich - zugegebenermaßen nicht allzu spät - nach Hause kugelte, fiel ich schnurstracks in mein Bett, um einen unruhigen Verdauungsschlaf  zu verbringen.
Ach und wenn ihr euch fragt, weshalb ich montags die Zeit habe, den ganzen Tag über zu Schlemmen: es war mal wieder Feiertag, Tag der körperlichen Ertüchtigung! Naja, in meinem Verdauungstrakt gibt es ja auch so ein paar Muskeln...

Ein großes Highlight, das ich euch nicht vorenthalten möchte, war die Toilette meines Gastgebers:
sobald man das kleine Bad betrat, sprang der Klodeckel automatisch auf und ein einladendes neonblaues Licht begrüßte den Besucher aus dem Inneren der Schüssel. Natürlich war die Klobrille beheizt, es gab Musikfunktionen, Wasserdüsen und vermutlich einen Haufen anderer Funktionen, die ich nicht verstehen konnte. Verdammt, ich glaub dieses Klo hatte mehr Rechenleistung als mein PC zu Hause und sobald man sich erhob wurde - natürlich vollkommen automatisiert- gespült.
Ich hätte mich nicht gewundert, hätte ich eine Roboterstimme gehört, die mich über mein vollzogenes Geschäft gelobt hätte.

Gestern fand endlich meine "Willkommensparty" statt. Tatsächlich handelte es sich um ein Treffen der Station, um die neuen Ärzte im Praktikum zu begrüßen, aber da für mich keine wirkliche Kennenlernveranstaltung stattgefunden hatte, wurde ich als Ehrengast und "Superstar" (jap, das hatten die so auf ihren Infozettel geschrieben -.-) eingeladen.
Nach einem entspannenden Besuch im angeschlossenen Onsen fing das Schlemmen (schon wieder) an.
Hier gab es Eintopf, Sushi, frittierte Shrimps, Salat, Ananas, frittiertes Hühnchen, Tofu und und und.
Schade war bloß, dass am Ende des Abends furchtbar viel Essen übrig geblieben war. Generell ist mir bisher häufig aufgefallen, dass die Japaner eine noch wesentlich schlimmere Wegwerfkultur als wir in Deutschland pflegen. Bei fast jedem Essen zu dem ich eingeladen wurde, gab es zuviel - meistens viel zu viel - so dass ein Teil weggeworfen werden musste. Ein Großteil der japanischen Küche eignet sich auch nicht zum Aufheben und später essen. Eingefrorenes Sushi ist eben nicht so der Hit wenn es schon ein-zwei Stunden im Offenen rumlag...
Der Abend wurde dann beinahe etwas rührselig, da ich natürlich eine kleine (Dankes-)rede halten musste und mich bei dieser Gelegenheit schon einmal vorzeitig verabschiedete.
Denn meine Zeit auf dieser Station neigt sich dem Ende, in gerade einmal zwei Wochen werde ich sie bereits verlassen.

Aufmerksame Leser (oder geknechtete PJler) werden sofort bemerken, dass hier etwas nicht stimmt.
Eigentlich sollte ich ja erst Mitte November zu den Chirurgen wechseln. Es kam aber mal wieder alles anders. Der Arzt, der für die Austauschstudenten "verantwortlich" ist (ich habe ihn bisher nur zweimal gesehen und kaum mit ihm gesprochen...), hat mir angeboten, nocheinmal bei den Gastroenterologen vorbeizuschauen, bevor ich in die Chirurgie gehe.
Und da das ständige Kathetern auf die Dauer doch etwas eintönig geworden ist, habe ich bereitwillig zugestimmt.
Nichtsdestotrotz werde ich meine Ärzte auf Station sehr vermissen. Alle haben sich hier wirklich ein Bein ausgerissen (ihr solltet die Station sehen, es ist ein Anblick des Grauens!), um mir meinen Aufenthalt angenehm und leicht zu gestalten. Insbesondere mit den jüngeren Ärzten habe ich viele sehr unterhaltsame Momente verbracht und genossen.
Auf der anderen Seite bin ich mir fast sicher, dass ich auf den nächsten beiden Stationen ebenso nette Kollegen treffen werde und mir der Zugang zu den Japanern vermutlich noch etwas leichter fallen wird, da sich mein Japanisch doch etwas verbessert hat.
Die Leute mit denen ich konstant etwas in meiner Freizeit unternehme sind aber so oder so die Studenten und daran wird sich auch in den nächsten Monaten wohl nur wenig ändern.

Uuuuund es ist wieder Schluss - bis zum nächsten Mal!

PS: Und fühlt euch herzlich eingeladen, mir ruhig einmal aus den deutschen Gefilden zu berichten, ich erhalte ja doch sehr wenig Neuigkeiten von Übersee! Und damit meine ich keine (fast)!


Mittwoch, 3. Oktober 2012

Traditionelles Bier

Da die Tage in der Klinik meist recht ähnlich ablaufen, werd ich mich auch diesmal in meinem Text auf das letzte Wochenende konzentrieren.
Solltet ihr mehr aus der Klinik hören wollen, müsst ihr euch eben Gehör verschaffen!

Letzte Woche habe ich eine Klinik-ID erhalten, mit der ich jetzt auch Zugriff auf das elektronische "Karten"-System habe. Die Patientenkurven heißen hier netterweise "Karte" und Patienten werden auch "entorassen".
Mit viel Macht kommt jedoch auch viel Verantwortung und so wurden mir vier Patienten zugeteilt, die ich regelmäßig visitieren und ihren Krankheitsverlauf dokumentieren soll.
Prinzipiell muss ich dann einen der Patienten bei der wöchentlichen Chefarztvisite vorstellen. Diese Woche hatte aber ein bösartiger Hacker meine ID manipuliert und ausgerechnet den Patienten meinem Zugriff verwehrt(ich kann nämlich nur Patientendaten betrachten, die mir von einem Arzt zugeteilt wurden), den ich hätte vorstellen sollen - was weniger Arbeit für mich bedeutete...auch nicht so schlimm.

Letzten Freitag war ich mit drei Medizinstudenten auf dem Oktoberfest in Osaka. Traditionellerweise hatten die Frauen (also zumindest diejenigen, die vor Ort gearbeitet haben) auch alle Trachten an, nur Lederhosen habe ich vermisst.
Dafür gab es aber echte deutsche Konservendosenwurst+Sauerkraut und deutsches Bier das 13€ für 500ml gekostet hat!
Da ich meinen japanischen Freunden quasi seit meiner Ankunft erzählt habe, wie toll deutsches Bier doch sei (in Japan kennt man aus Deutschland zwei, vll. drei Dinge: Autos, Bier und evtl. Würstchen - wobei hierunter auch Wurst fällt) konnte ich natürlich nicht verzichten und habe mich auf zwei Gläser eingelassen und damit meinen finanziellen Ruin mit Schallgeschwindigkeit beschleunigt.
Das Bier war lecker - immerhin - und man muss eben Opfer bringen, wenn man neue Freundschaften knüpfen will - von wegen Geld kann keine Freunde kaufen, ha!

Musikalische Unterhaltung aus Bayern eingeflogen, die Japaner stehen auf Gejodel!


Das spricht wohl für sich...


Und jap, die Japaner können ganz schön feiern, selbst zu bayerischen Schlagersongs!

 
 Ihre japanischen Kehlen wurden entjungfert (der vierte versteckt sich, aber irgendwer muss ja Photos machen)


Die ganze Bande (Ryuta, hier links im Bild, ist mittlerweile schon gut angetrunken [nach anderthalb Bier], die anderen Leute kannten wir nicht, die saßen nur so neben uns und irgendwann haben wir angefangen, wild Photos voneinander zu schießen)


Persönliches Highlight: Ca. alle fünf Minuten wurde "Ein Prosit der G'mütlichkeit" gesungen und natürlich haben alle Japaner mitgegrölt.

Nach viel zu viel Geld, dass wir in viel zu kurzer Zeit dort liegen gelassen haben, sind wir dann wieder nach Hause aufgebrochen, schließlich hatte ich am nächsten Tag Training...

...das diesmal sogar stattfand! Aaaaaaber nur für eine Stunde -.-
Da mir niemand Bescheid gesagt hatte und ich normalerweise eine halbe Stunde zu früh ankomm um mich mit dem Rest der Truppe aufzuwärmen, habe ich auch diesmal eine Stunde eher locker trainiert, ab und an kam mal jemand, um mich auf Fehler hinzuweisen, aber erst als wir uns dann zur Verabschiedung aufstellten (übrigens: Begrüßung und Abgruß wird hier mit Taikotrommeln eingeleitet, sehr stylisch!) war mir klar: hmm irgendwie war das Training heute kürzer als sonst!

In der Kabine wurde ich dann aufgeklärt: Heute war der Tag des jährlichen Enbukai am Kofukuji.
Wer jetzt nur Bahnhof verstanden hat:
Enbukai = Demonstration
Kofukuji ist der Nachbartempel des Hozointempels. Im Gegensatz zum Hozointempel steht der Kofokuji allerdings noch - prinzipiell sind sie aber beide auf dem selben Grund errichtet worden und die Mönche des Kofukuji pflegen noch immer die guten Beziehungen zu den Nachfahren der Kriegsmönche des Hozoin.
Einer der Mönche des Kofukuji ist im Übrigen Deutscher und einer meiner Trainingskollegen hat mir versprochen, mich ihm mal vorzustellen, falls sich eine Gelegenheit ergibt, mal sehen!


Die perfekte Kulisse für eine Koryu:


Moderne Samurai, mit Anzug und Speer:


Bevor es losgeht muss ersteinmal gebetet werden:


Links der kürzere Kamayari(sieht man leider kaum), rechts der Suyari:


Links Ichiya Soke(Oberhaupt) der Hozoin Ryu, rechts Maeda-sensei, der sich bisher um mich gekümmert hat:


Hier kann man die Besonderheit des Kamayari erkennen:


Nach der Demonstration bin ich mit Sergio noch durch Nara geschlappt. Sergio verlässt mich bereits in zwei Wochen und ist jetzt auf fanatischer Suche nach Omiyage - Mitbringseln für Deutschland.

Da ich aber durch frühes Aufstehen und eine anstrengende Woche ziemlich fertig war, habe ich mich etwas früher verabschiedet und bin abends heim gefahren, um erstmal ein heißes Bad zu nehmen und einen ruhigen Abend zu verbringen.

Seit Sonntag ist hier eine weitere Medizinstudentin aus dem fernen Westen, eine Finnländerin namens Marika und da Japaner generell vor allem was Englisch spricht und weiß ist Angst haben, haben sie uns (Sergio und mich) gebeten, ihnen zu helfen, Marika etwas von Nara zu zeigen.
Deswegen sind wir früh zu zweit aufgebrochen, um einige Medizinstudenten und Marika in der Stadt zu treffen. Da Japaner aber auch niemandem der aus dem Ausland kommt zutrauen, alleine zurecht zukommen, wurde uns eine Begleitung zur Seite gestellt, die uns auf dem beschwerlichen Weg nach Nara mit Rat und Tat unterstützen sollte. Ich merke an: ich fahre einmal die Woche alleine mit dem Zug(!) nach Nara und Sergio ist auch schon genug rumgekommen, um den Weg zu finden aaaber nun gut, so hatten wir immerhin etwas mehr Unterhaltung.
Sobald wir in Nara die Finnin trafen, fing es an zu regnen. Heftig zu regnen. Ob das wohl ein Wink des Schicksals war?
Endlich war es also soweit, dass der erste Taifun des Jahres über die hügelige Landschaft Japans hinwegfegte. Tatsächlich war es ein relativ lascher Taifun. Es regnete zwar "viel" aber nicht ungewöhnlich viel und es windete schon stark aber man konnte noch ohne Weiteres Laufen ohne vom Wind auf den Boden geworfen zu werden. Im Gegensatz zu meinen Erfahrungen von vor acht Jahren also ein ziemlicher Witz.
Nichtsdestotrotz war es furchtbares Wetter, um Sightseeing zu betreiben. Wir flitzten also durch eine überdachte Einkaufsstraße, schnell zum Kofukuji, wo wir uns erstmal in der "National Treasure Hall" verbarrikardierten.
Während Marika und zwei Studenten sich das Museum im Inneren anschauten, wartete der Rest von uns draußen und philosophierte über Buddhismus und Christentum.


Danach wollten wir noch zum Todaiji, einem Tempel in dem sich die größte Buddhastatue Japans(?), Asiens(?) befindet. Da das Wasser auf den Straßen aber mittlerweile knöchelhoch stand entschlossen wir uns zunächst einmal, etwas für das Wohlbefinden unserer Körper zu tun.
Wir suchten uns also ein Restaurant, das mit einer Weltattraktion auf sich aufmerksam machte:
Japans größte Modelleisenbahn war mitten auf dem Esstisch aufgebaut! Das sorgte insbesondere dafür, dass man sich schlecht unterhalten konnte, da man aufgereiht wie an einer Bar sitzen musste und wir immerhin zu zehnt waren. Das Essen war dementsprechend, ich mein kommt schon, wer will DAS nicht sehen, teuer, aber dafür gab es All-You-Can-Drink-Cola.
Etwas ernüchtert einigten wir uns darauf, es für heute zu belassen und machten uns auf den Heimweg. Glücklicherweise hatten zwei Japaner mittlerweile ihre Autos besorgt und konnten uns relativ trocken heim fahren.


Das wars dann für heute von mir, etwas weniger Text, etwas mehr Bilder. Jetzt muss ich mich erstmal auf einen Fressmarathon vorbereiten: heute wurde mein Abendessen von Pharmafirmen bezahlt, morgen bin ich beim Dekan zum Essen eingeladen, am Freitag geht die Station zusammen Essen, montags bin ich bei einem Arzt zum Essen eingeladen und nächste Woche Mittwoch gibt es ein großes Festessen bei meiner (verspäteten) Willkommensparty! Vielleicht nehm ich hier doch noch zu...

Samstag, 22. September 2012

Glorreich!

Letzte Woche verlief relativ unspektakulär. Von Montag abend bis Mittwoch bekam ich Besuch von Julia aus meinem Kenjutsu-Training für zwei Tage, da sie in Tokyo einen Teil ihres Referendariats absolviert hat und jetzt die letzte Woche noch durch Japan reiste. Zusammen haben wir mit den japanischen Studenten Spaghetti-Carbonara gekocht und das war auch schon der Höhepunkt der letzten Tage.
Umso ereignisreicher gestaltete sich der Samstag...und glorreicher...!

Zunächst einmal musste ich früh aufstehen, da ich ja nach Nara wollte, um Trainieren zu gehen. Das war gar nicht so leicht, da Sergio und ich am Abend zuvor noch nen Film angeschaut haben und ich dementsprechend spät ins Bett bin. Wie bereits erwähnt, muss ich Samstags um 8:00 Uhr den Zug erwischen, damit ich bis um halb zehn in meinem Dojo ankomme. Auf der Zugfahrt habe ich erstmal die milden Temperaturen genossen, in den letzten Tagen ist es deutlich abgekühlt, man könnte beinahe von winterlichen Verhältnissen sprechen (ca. 27° tagsüber).
Vom Hauptbahnhof Nara bis zur Trainingshalle dauert es nochmal ne knappe Viertelstunde zu Fuß. Aber ich war frohen Mutes jetzt zum zweiten Mal trainieren zu können, gerade auch, da ich bei diesen Temperaturen vielleicht nicht ganz so große Schweißpfützen auf dem Boden hinterlassen würde.
Es kam natürlich ganz anders.

Mit Entschlossenheit und Eifer in meinem Blick stieß ich die Tür des Dojos auf, hinter der sicherlich schon meine Trainingskollegen warten würden, um mich in den Geheimnissen der Speerkunst zu unterweisen.
Um es abzukürzen: nein, es wartete niemand auf mich. Stattdessen sprang mir eine Meute japanischer Grundschulkinder entgegen, alle in Keiko-Gi und Hakama gekleidet. Für diejenigen unter euch, die sich mit dieser Beschreibung kein Bild machen können, stellt es euch so vor:
Ca. zwanzig Minisamurai, alle etwas höher als mein Knie, kommen kreischend und mit irrem Blick auf mich zugerannt. Hätte ich nicht gesehen, dass sich in sicherem Abstand auch ältere Japaner (vermutlich die Eltern der Minisamurai, wie ich blitzschnell kombinierte) aufhielten, hätte ich einfach die Tür vor mir verschlossen und wäre davon gerannt - vermutlich mit einem nicht sehr männlichen Schrei auf meinen Lippen.
So schluckte ich die Angst herunter, sprang zur Seite, um nicht unter den herumtollenden Killermaschinen begraben zu werden und versuchte möglichst schnell mit jemandem Kontakt aufzunehmen, der mir diese Situation erklären konnte.
Eine nette Frau sagte mir dann geduldig (wobei man an ihren blutunterlaufenen Augen erkennen konnte, dass ihre Geduld in den letzten Stunden durch die kreischenden Kriegerchen schon kräftig strapaziert wurde), dass heute wohl im Rahmen einer Veranstaltung für die Kinder jegliches andere Training ausfällt. Das konnte ich natürlich nicht wissen, da ich letzte Woche nicht beim Training anwesend war.
Um zusammenzufassen: ich hatte mich früh morgens aus meinem Bett gequält, war eine knappe Stunde Zug gefahren (für fast 5€) und eine Viertelstunde gelaufen, um gesagt zu bekommen, dass ich jetzt wieder heim gehen könne.
Meine Begeisterung war grenzenlos.

Aber hey, es war Samstag, ich musste nicht in die Klinik und hatte jetzt immerhin den ganzen Tag frei und würde mir das nicht nehmen lassen. Statt sofort nach Kashihara zurückzufahren spazierte ich also noch etwas durch Nara. Da ich viele der Tempel und Schreine schon gesehen hatte, suchte ich mir einen Weg durch die nicht so touristischen Wohnviertel, entlang an einem recht idyllischen Fluss, an dessen Ufer man so etwas ähnliches wie Stille (Luxusgut in Japan!) erleben konnte und wo ich die Theorie formulierte, dass Japaner nur so klein sind, weil die japanischen Insekten so groß sind.
Die Mechanismen sind mir noch nicht ganz klar, aber nach längerem drüber Nachdenken bin ich mir ziemlich sich, dass ich auf einer heißen Spur bin. Ganz ehrlich, handtellergroße Spinnen haben hier an jedem Wegrand ihre Netze gesponnen, Zikaden, Kakerlaken und Libellen, die alle so groß sind wie kleine Mäuse zischen hier überall in der Gegend rum und gefährden das Leben jedes Insektophobiker (der sich auf der Flucht z.B. in besagten Fluß werfen könnte, o.ä.).
Nur die Schnaken sind klein und ihre Stiche glücklicherweise auch nicht von allzu quälender Natur.
Den Rest meiner Zeit in Nara verbrachte ich damit, ein offenes WLAN zu suchen, da Amazon mir nicht gestattet, mit meinem Laptop neue Bücher für meinen Kindle zu kaufen. Mit dem Kindle darf ich allerdings shoppen bis ich pleite bin...
Jetzt habe ich aufjedenfall neuen Lesestoff.
Auf dem Weg nach Kashihara verspeiste ich noch schnell zwei Fertigsandwiches und ein Onigiri (Reisballen mit Algen umwickelt - sehr lecker als kleiner Snack) und genoß im Zug meine neue Lektüre.

Zuhause blieb mir nicht viel Zeit, ich kam gerade dazu mich umzuziehen, denn mittags erwartete mich schon der nächste Programmpunkt.
Sergio war nämlich von einem seiner Ärzte zu einem Nachmittagsbrunch in Osaka eingeladen worden und hatte mich gefragt, ob ich nicht auch Lust hätte, mitzukommen. Ich dachte mir nichts böses dabei und sagte gleich zu. Erst als Sergio von seinem Arzt die Antwort bekam, dass es vollkommen OK sei, dass ich mitkommen würde, fiel uns unser Fehler auf.

In Japan gibt es das sogenannte Kohai-Senpai System. Dieses System basiert auf Erfahrung der jeweiligen Person und betrifft quasi jede soziale Aktivität der Japaner. Die erfahrenen werden dementsprechend Senpai genannt, die Neulinge Kohai.
Alter spielt keine Rolle, so wird z.B. ein 40-jähriger, der frisch in einen Schwimmverein eintritt, gegenüber einem 20-jährigen, der in besagtem Verein seit 5 Jahren Mitglied ist, stehts die Rolle des Kohai einnehmen. Auch auf der Arbeit herrscht dieses System, was vermutlich einer der Gründe ist, weshalb es formelle Abgrenzungen wie bei uns (Assistenzarzt, Facharzt, Oberarzt) fast nicht gibt.
Wichtig bei diesem System ist, dass die einzelnen Rollen auch verschiedene Aufgaben zu erfüllen haben. Die Senpai sind erfahrener in dem was sie tun und sind deshalb (sozial) dazu verpflichtet, die Kohai zu unterweisen und zu unterstützen. Im Gegenzug übernehmen die Kohai einfache Aufgaben, für die nicht viele Fähigkeiten oder Erfahrung benötigt werden. Bei meinem Sojutsu-Training sieht das so aus, dass die Senpai die Rolle der Trainer einnehmen und die Kohai nach dem Training die Speere wegräumen und die Halle putzen.
Bei der Arbeit kommt noch ein finanzieller Aspekt hinzu. Da die Senpai in der Regel mehr Geld verdienen (nicht zwangsläufig, da ein Kohai z.B. auch erfolgreicher sein kann und eine höhere Stellung bei der Arbeit einnimmt als sein Senpai, obwohl die Kohai-Senpai-Beziehung sich dadurch nicht verändern wird), wird von ihnen auch erwartet, ihre Kohai davon profitieren zu lassen. Praktisch sieht das so aus, dass Firmenessen oder Barausflüge mit der Klinikbelegschaft von den erfahreneren Arbeitern/Ärzten (zumindest zu einem Großteil) bezahlt werden. Sergio und ich profitieren sehr davon, da wir regelmässig zu Mittag- und Abendessen eingeladen werden, in Restaurants die definitiv unsere finanziellen Möglichkeiten sprengen würden (Sergio war letztes Wochenende wohl in einem der teuersten Restaurants Kyotos...!).

Mit diesem Gedanken in Kopf gingen wir nochmal die Einladung von Sergios Arzt durch. Dort war, etwas untypisch, der Preis des Buffets aufgelistet. 5000 Yen sollte der Spass kosten, umgerechnet knapp 50 €.
Da es sich um eine Masseneinladung handelte, gingen wir davon aus, dass die Allgemeinheit wohl selbst bezahlen sollte, Sergio würde aber sicherlich eingeladen werden. Die Frage stellte sich nur, ob ich auch die Gunst der Japaner ausnutzen könnte, oder diese nicht unbeachtlichen Kosten an mir hängen bleiben würden.
Ich hatte aber ja schon zugesagt und die Japaner rechneten nun damit, dass zwei Ausländer auftauchen würden - jetzt abzusagen würde wohl nicht sehr höflich erscheinen, zudem dass ja auch meine zukünftigen Kollegen sein werden.
Wir entschlossen uns also dazu, den Preis zu splitten, sollte ich selbst zahlen müssen. Ha!

Gegen halb drei brach ich nach Osaka auf. Sergio hatte mir den Namen der Bar genannt, Google hatte mir zehn verschiedene Adressen ausgespuckt. Glücklicherweise hatte "Bing" einen klaren Ort markiert, wo sich die Bar befinden sollte. Sergio hat leider nur sein deutsches Handy hier, deswegen können wir nicht ohne weiteres Kontakt miteinander aufnehmen, was sich noch als Problem herausstellen sollte.
Das Buffet sollte ab halb vier starten. Ich war pünktlich am von Bing markierten Gebäude angekommen, wo sich natürlich nicht die gesuchte Bar befand, sondern nur ein deutsches Restaurant "Hanburugu" (allerdings ohne Deutsche).
Da stand ich nun, nicht in der Lage, irgendwie die richtige Adresse (das ist in Japan durch fehlende Häusernummern eh schwierig) herauszufinden, in einem Bezirk, wo alle zehn Meter eine Bar, ein Cafe oder ein Restaurant zu finden ist, so dass mir auf Anfrage natürlich auch niemand helfen konnte. Wobei ich sehr viele Tipps erhielt, welche anderen Bars in der Gegend gut seien und wo ich unbedingt mal hin müsste...
Ich irrte für beinahe eine dreiviertel Stunde umher und dachte mir schon, dass der Tag sich so fortsetzen würde, wie er begonnen hatte. Aber diesmal lachte mir das Schicksal zu.
Als ich ein weiteres Mal zu dem von Bing markierten Gebäude kam, stand davor Sergio.
"Ha, sicherlich ist die Bar doch da drinne, ich habe sie bloß übersehen, doof wie ich bin und Sergio wartet schon die ganze Zeit davor, um mich zu finden!" , dachte ich mir und eilte ihm entgegen.
Tja, falsch gedacht. Tatsächlich hatte Sergio auch nur die fehlerhafte Anweisung von Bing, so dass wir jetzt zu zweit ahnungslos waren.
Glücklicherweise stellte sich heraus, dass er die Handynummer seines Arztes mitgebracht hatte. Mit meinem Handy konnten wir ihn erreichen und fanden dann auch recht schnell den richtigen Ort.
Aber es wurde noch besser.

Die Ärzte freuten sich riesig uns zu sehen, auch wenn wir über eine Stunde zu spät waren. Als erstes wurde uns die Frage gestellt: Wollt ihr jetzt gleich oder am Ende bezahlen?
Worst case...super...
Sergio und ich wechselten einen kurzen Blick, wir hatte schon vorher besprochen, dass es auch dazu kommen könnte. Dieses eine Essen schien von den sonst allgemeingültigen Kohai-Senpai-Regeln ausgeschlossen zu sein.
Wir bezahlten also und nahmen uns vor, uns wenigstens richtig satt zu essen und eine Menge zu trinken. Der Plan waren zehn Bier für jeden, dafür hatten wir allerdings nur knappe anderthalb Stunden Zeit.
In Japan ist es generell schweineteuer wegzugehen (Essen kann man eigentlich ausserhalb sehr günstig, bloß wenn es ums Trinken geht, wirds schnell horrend), deswegen sind All-You-Can-Drink-And-Eat Angebote extrem populär. Hierbei zahlt man einen Betrag zwischen 30-50 € und kann dann für einen sehr begrenzten Zeitraum, meistens zwei Stunden, zulangen soviel man will.
Das Essen gestern war sehr lecker, nur hatten sich viele der Japaner (es waren fast 50 Gäste da) vorgenommen, uns an unserem Plan zu hindern und uns in viele Gespräche zu verwickeln.
Sergio schaffte es irgendwie, soviel zu Essen, dass er den restlichen Tag über nichts mehr brauchte, aber wer mich kennt, der weiß: ich esse nicht viel auf einmal aber dafür häufig und ich bin noch nichtmal vor Ort richtig satt gewesen.
An die zehn Bier kamen wir auch nicht ran, aber so war es eben ein sehr teurer Eintrittspreis für einen ansonsten lustigen Nachmittag.

Durch endlich mal etwas mehr Alkohol in meinen Venen (die meisten Japaner hören auf zu trinken, wenn ich gerade anfangen würde...), war ich nach dem Essen - es war gerade mal 18 Uhr - in bester Stimmung, um noch etwas zu unternehmen. Sergio hingegen wirkte müde und wir beide waren uns einig, dass wir möglichst wenig Geld ausgeben wollten. Wir überlegten also, was wir noch machen könnten und nach einigem Hin und Her konnte ich ihn davon überzeugen, zumindest noch ein Bier mit mir zu trinken, bevor wir uns auf den Heimweg machten.
Auf der Suche nach einer Bar schlenderten wir durch Nanba, wo sich auch abends noch das Leben tummelt, mit grellen Neonlichtern und ohrenbetäubender Pachinko-Musik.
Allerdings ist es nicht leicht, eine Bar in Japan zu finden. Hier gibt es vor allem Restaurants, häufig ist es zwar auch dort gestattet, nur etwas zu trinken, aber die sind meist nicht so gemütlich gestaltet.
Deswegen dauerte es auch einige Zeit, aber letzten Endes kamen wir an einer kleinen Bar an, in der viele Ausländer saßen.

Mit den Ausländern ist das immer so eine Sache hier.
Man weiß nicht, ob man sich von ihnen fern halten oder ihre Nähe suchen soll. Irgendwie gibt es schon etwas, das einen verbindet, allein da man auf der Straße so extrem auffällt. Aber Ausländer bedeuten in der Regel auch: keine Japaner. Wenn man also japanische Bekanntschaften machen will, kann es gut sein, dass es besser wäre, andere Gaijin (wie man hier genannt wird) zu meiden.

Uns ging es gestern abend aber nur darum, günstig zu trinken, weshalb wir auf der Karte vor der Bar nach dem Bierpreis suchten. Bevor wir uns versahen, kam ein junger Japaner aus der Bar und fragte uns, ob wir nicht reinkommen wollten.
Wir erzählten ihn von unserem monetären Dilemma und er grinste nur breit.
"Kommt rein, kommt rein! Ab 20 Uhr schmeiß ich hier ne Party, da bekommt ihr Trinken und Essen umsonst, ihr seid die Ehrengäste!", sagte er begeistert.
Wir schauten uns skeptisch an. Die Bar war für japanische Verhältnisse eher spelunkenartig, sehr dunkel, mit alten Ledercouches und vor allem: vielen Gaijin, was auch ein Hinweis für Zwielichtigkeit sein kann (Japaner sind harmlos, vor den Ausländern muss man sich in Acht nehmen...ist tatsächlich so).
Aber ich war neugierig und wollte etwas Spaß haben, Sergio hingegen war eher skeptisch, trotzdem gelang es mir ihn dazu zu bringen, einen Blick hinein zu werfen.

Yoshi, wie sich uns der Japaner vorstellte, führte uns aber nicht in die Bar, sondern zu einer Treppe neben dem Eingang, die in ein noch düstereres Loch mündete. Spätestens hier rumorte auch in meinem Bauch ein mulmiges Gefühl.
Das "Loch" war tatsächlich ein kleiner Kellerclub, komplett mit Bar und Sofas und eigentlich recht gemütlich. Vier Japanerinnen warteten schon auf uns und wir hatten eine Art Déjà-Vu. Das konnte doch nicht schon wieder eine Hostess-Bar sein?
Aber eine der Japanerinnen stellte sich uns als Yoshis Schwester vor, womit zumindest meine Sorgen hinweggefegt waren. Die eigene Schwester zu verkaufen kommt selbst Japanern nicht in den Sinn. Das hatte ich zumindest gehofft.
Sergio verdächtigte unseren Gastgeber immer noch, uns hinters Licht zu führen, während ich mich mit der japanischen Gastfreundschaft als Erklärung abgefunden hatte.
Deswegen fragte er immer wieder, was das ganze denn kosten würde. Sergio lernt erst seit einigen Monaten Japanisch, weshalb ich ihm noch häufig helfe, Dinge zu verstehen oder auszudrücken.
Yoshi antwortete irgendwann: "Willst du denn unbedingt zahlen?"
Und bevor ich mich dazwischenschalten konnte, sagte Sergio schon "Ja.". Wobei er eigentlich sagen wollte, dass es ja nicht kostenlos für uns sein könnte.
"Dann gib mir 1000 Yen.", sagte Yoshi trocken und drehte sich dann zu mir. "Und du, willst du auch zahlen?"
"Nicht wenn es sich vermeiden lässt.", antwortete ich schnell und hielt meine Hände abwehrend hoch.
"Ok, dann zahlt Sergio 1000 und Marcel nichts." , grinste Yoshi zurück und gab uns etwas zu trinken.
Nachdem ich die Unterhaltung Sergio übersetzt hatte, dauerte es auch nicht lange, bis er zugab, dass er auch nichts zahlen will. Wir kamen also beide tatsächlich kostenlos durch den Abend, womit wir zumindest einen Teil unserer Mittagskosten wett machen konnten.
Und es war wieder eine Veranstaltung die anderthalb Stunden mit All-You-Can-Eat-And-Drink ablief. Im Laufe des Abendes kamen dann auch noch einige andere Ausländer und Japaner dazu.

Ein Australier, der schon seit vier Jahren in Japan lebt, offenbarte uns dann, dass es sich an dem Abend wohl um eine Verkuppelungsparty handelte. Die wird von zwei Parteien organisiert, einem Typ, der viele Singlefreunde hat und einem Mädel, die viele Singlefreundinnen hat. Zusammen mieten sie eine Bar, die Teilnehmer zahlen auch nochmal Eintritt (je nachdem wer erwünscht ist mehr oder weniger, gestern wohl für Männer 4000 Yen, für Frauen 1000; es gibt auch Verkuppelungspartys für Ausländer, hier zahlen die Ausländer weniger und die Japaner mehr und wahrscheinlich gibt es das auch noch in allen möglichen Variationen für die verschiedensten Geschmäcker) und dann wird "sich kennengelernt". Sergio und mich hat das etwas an eine Party von 15-jährigen in Deutschland erinnert. Die Mädels hocken auf einem Haufen, ab und an kommt ein Typ vorbei, quatscht etwas, geht wieder weg und dann wird erstmal untereinander getuschelt - vermutlich wie toll der Typ gerade war oder eben nicht.

Sergios und mein Beziehungsstatus war den Japanern egal. Ihnen ging es eher darum, jemanden zum Englisch üben zu haben. Und hey, da würd ich mir auch zwei deutsche Typen für aussuchen! Außerdem offenbarte uns Yoshi noch, dass er demnächst seine eigene Bar eröffnen würde und er fest damit rechnet, dass wir dann dort vorbei kommen. Vielleicht handelte es sich also auch nur um eine clevere Marketingstrategie, Sergio und ich konnten davon aufjedenfall sehr profitieren.
Ob sich an dem Abend wirklich Pärchen gefunden haben, ist schwer zu beurteilen. Nach anderthalb Stunden wirkte es so, als würde jeder getrennten Weges nach Hause aufbrechen.
Sergios Theorie war, dass vermutlich im Nachhinein die Organisateure von den interessierten Partien kontaktiert werden würden und dass dann vermitteln müssten.
Wer weiß, vielleicht finde ich das in meiner Zeit hier noch raus.

Im Zug nach Kashihara wurde ich plötzlich von der Seite angetippt, auch äußerst unjapanisch.
Ein nettes japanisches Mädchen sprach uns plötzlich auf Deutsch an und überraschte uns damit sehr.
Sie hätte unser Gespräch gehört und daraus geschlossen, dass wir wohl deutsch sein müssten. Sie geht regelmässig in Osaka in eine deutsche Bar, "Das Gasthaus 44", wo einmal im Monat ein deutsches "Get-together" stattfindet. Das nächste ist Donnerstag in zwei Wochen und wenn alles passt werden Sergio und ich da mal vorbeischaun.
Der nächste Termin ist also schon fix.

Heut abend werd ich mit ein paar Medizinstudenten noch in eine Onsen (heiße Quelle) gehen aber jetzt kümmer ich mich erstmal um Mittagessen!