Mittwoch, 3. Oktober 2012

Traditionelles Bier

Da die Tage in der Klinik meist recht ähnlich ablaufen, werd ich mich auch diesmal in meinem Text auf das letzte Wochenende konzentrieren.
Solltet ihr mehr aus der Klinik hören wollen, müsst ihr euch eben Gehör verschaffen!

Letzte Woche habe ich eine Klinik-ID erhalten, mit der ich jetzt auch Zugriff auf das elektronische "Karten"-System habe. Die Patientenkurven heißen hier netterweise "Karte" und Patienten werden auch "entorassen".
Mit viel Macht kommt jedoch auch viel Verantwortung und so wurden mir vier Patienten zugeteilt, die ich regelmäßig visitieren und ihren Krankheitsverlauf dokumentieren soll.
Prinzipiell muss ich dann einen der Patienten bei der wöchentlichen Chefarztvisite vorstellen. Diese Woche hatte aber ein bösartiger Hacker meine ID manipuliert und ausgerechnet den Patienten meinem Zugriff verwehrt(ich kann nämlich nur Patientendaten betrachten, die mir von einem Arzt zugeteilt wurden), den ich hätte vorstellen sollen - was weniger Arbeit für mich bedeutete...auch nicht so schlimm.

Letzten Freitag war ich mit drei Medizinstudenten auf dem Oktoberfest in Osaka. Traditionellerweise hatten die Frauen (also zumindest diejenigen, die vor Ort gearbeitet haben) auch alle Trachten an, nur Lederhosen habe ich vermisst.
Dafür gab es aber echte deutsche Konservendosenwurst+Sauerkraut und deutsches Bier das 13€ für 500ml gekostet hat!
Da ich meinen japanischen Freunden quasi seit meiner Ankunft erzählt habe, wie toll deutsches Bier doch sei (in Japan kennt man aus Deutschland zwei, vll. drei Dinge: Autos, Bier und evtl. Würstchen - wobei hierunter auch Wurst fällt) konnte ich natürlich nicht verzichten und habe mich auf zwei Gläser eingelassen und damit meinen finanziellen Ruin mit Schallgeschwindigkeit beschleunigt.
Das Bier war lecker - immerhin - und man muss eben Opfer bringen, wenn man neue Freundschaften knüpfen will - von wegen Geld kann keine Freunde kaufen, ha!

Musikalische Unterhaltung aus Bayern eingeflogen, die Japaner stehen auf Gejodel!


Das spricht wohl für sich...


Und jap, die Japaner können ganz schön feiern, selbst zu bayerischen Schlagersongs!

 
 Ihre japanischen Kehlen wurden entjungfert (der vierte versteckt sich, aber irgendwer muss ja Photos machen)


Die ganze Bande (Ryuta, hier links im Bild, ist mittlerweile schon gut angetrunken [nach anderthalb Bier], die anderen Leute kannten wir nicht, die saßen nur so neben uns und irgendwann haben wir angefangen, wild Photos voneinander zu schießen)


Persönliches Highlight: Ca. alle fünf Minuten wurde "Ein Prosit der G'mütlichkeit" gesungen und natürlich haben alle Japaner mitgegrölt.

Nach viel zu viel Geld, dass wir in viel zu kurzer Zeit dort liegen gelassen haben, sind wir dann wieder nach Hause aufgebrochen, schließlich hatte ich am nächsten Tag Training...

...das diesmal sogar stattfand! Aaaaaaber nur für eine Stunde -.-
Da mir niemand Bescheid gesagt hatte und ich normalerweise eine halbe Stunde zu früh ankomm um mich mit dem Rest der Truppe aufzuwärmen, habe ich auch diesmal eine Stunde eher locker trainiert, ab und an kam mal jemand, um mich auf Fehler hinzuweisen, aber erst als wir uns dann zur Verabschiedung aufstellten (übrigens: Begrüßung und Abgruß wird hier mit Taikotrommeln eingeleitet, sehr stylisch!) war mir klar: hmm irgendwie war das Training heute kürzer als sonst!

In der Kabine wurde ich dann aufgeklärt: Heute war der Tag des jährlichen Enbukai am Kofukuji.
Wer jetzt nur Bahnhof verstanden hat:
Enbukai = Demonstration
Kofukuji ist der Nachbartempel des Hozointempels. Im Gegensatz zum Hozointempel steht der Kofokuji allerdings noch - prinzipiell sind sie aber beide auf dem selben Grund errichtet worden und die Mönche des Kofukuji pflegen noch immer die guten Beziehungen zu den Nachfahren der Kriegsmönche des Hozoin.
Einer der Mönche des Kofukuji ist im Übrigen Deutscher und einer meiner Trainingskollegen hat mir versprochen, mich ihm mal vorzustellen, falls sich eine Gelegenheit ergibt, mal sehen!


Die perfekte Kulisse für eine Koryu:


Moderne Samurai, mit Anzug und Speer:


Bevor es losgeht muss ersteinmal gebetet werden:


Links der kürzere Kamayari(sieht man leider kaum), rechts der Suyari:


Links Ichiya Soke(Oberhaupt) der Hozoin Ryu, rechts Maeda-sensei, der sich bisher um mich gekümmert hat:


Hier kann man die Besonderheit des Kamayari erkennen:


Nach der Demonstration bin ich mit Sergio noch durch Nara geschlappt. Sergio verlässt mich bereits in zwei Wochen und ist jetzt auf fanatischer Suche nach Omiyage - Mitbringseln für Deutschland.

Da ich aber durch frühes Aufstehen und eine anstrengende Woche ziemlich fertig war, habe ich mich etwas früher verabschiedet und bin abends heim gefahren, um erstmal ein heißes Bad zu nehmen und einen ruhigen Abend zu verbringen.

Seit Sonntag ist hier eine weitere Medizinstudentin aus dem fernen Westen, eine Finnländerin namens Marika und da Japaner generell vor allem was Englisch spricht und weiß ist Angst haben, haben sie uns (Sergio und mich) gebeten, ihnen zu helfen, Marika etwas von Nara zu zeigen.
Deswegen sind wir früh zu zweit aufgebrochen, um einige Medizinstudenten und Marika in der Stadt zu treffen. Da Japaner aber auch niemandem der aus dem Ausland kommt zutrauen, alleine zurecht zukommen, wurde uns eine Begleitung zur Seite gestellt, die uns auf dem beschwerlichen Weg nach Nara mit Rat und Tat unterstützen sollte. Ich merke an: ich fahre einmal die Woche alleine mit dem Zug(!) nach Nara und Sergio ist auch schon genug rumgekommen, um den Weg zu finden aaaber nun gut, so hatten wir immerhin etwas mehr Unterhaltung.
Sobald wir in Nara die Finnin trafen, fing es an zu regnen. Heftig zu regnen. Ob das wohl ein Wink des Schicksals war?
Endlich war es also soweit, dass der erste Taifun des Jahres über die hügelige Landschaft Japans hinwegfegte. Tatsächlich war es ein relativ lascher Taifun. Es regnete zwar "viel" aber nicht ungewöhnlich viel und es windete schon stark aber man konnte noch ohne Weiteres Laufen ohne vom Wind auf den Boden geworfen zu werden. Im Gegensatz zu meinen Erfahrungen von vor acht Jahren also ein ziemlicher Witz.
Nichtsdestotrotz war es furchtbares Wetter, um Sightseeing zu betreiben. Wir flitzten also durch eine überdachte Einkaufsstraße, schnell zum Kofukuji, wo wir uns erstmal in der "National Treasure Hall" verbarrikardierten.
Während Marika und zwei Studenten sich das Museum im Inneren anschauten, wartete der Rest von uns draußen und philosophierte über Buddhismus und Christentum.


Danach wollten wir noch zum Todaiji, einem Tempel in dem sich die größte Buddhastatue Japans(?), Asiens(?) befindet. Da das Wasser auf den Straßen aber mittlerweile knöchelhoch stand entschlossen wir uns zunächst einmal, etwas für das Wohlbefinden unserer Körper zu tun.
Wir suchten uns also ein Restaurant, das mit einer Weltattraktion auf sich aufmerksam machte:
Japans größte Modelleisenbahn war mitten auf dem Esstisch aufgebaut! Das sorgte insbesondere dafür, dass man sich schlecht unterhalten konnte, da man aufgereiht wie an einer Bar sitzen musste und wir immerhin zu zehnt waren. Das Essen war dementsprechend, ich mein kommt schon, wer will DAS nicht sehen, teuer, aber dafür gab es All-You-Can-Drink-Cola.
Etwas ernüchtert einigten wir uns darauf, es für heute zu belassen und machten uns auf den Heimweg. Glücklicherweise hatten zwei Japaner mittlerweile ihre Autos besorgt und konnten uns relativ trocken heim fahren.


Das wars dann für heute von mir, etwas weniger Text, etwas mehr Bilder. Jetzt muss ich mich erstmal auf einen Fressmarathon vorbereiten: heute wurde mein Abendessen von Pharmafirmen bezahlt, morgen bin ich beim Dekan zum Essen eingeladen, am Freitag geht die Station zusammen Essen, montags bin ich bei einem Arzt zum Essen eingeladen und nächste Woche Mittwoch gibt es ein großes Festessen bei meiner (verspäteten) Willkommensparty! Vielleicht nehm ich hier doch noch zu...

3 Kommentare:

  1. Endlich hab ich Zeit! ;)

    Ich bin immernoch total geflasht von dem Oktoberfest... Dass Bier noch teurer als in München sein kann! (9,50€ pro Maß glaub ich)

    ... Was ist die Besonderheit am Kamayari? :D /blind

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    1. Am Ende befindet sich ein kleiner Querbalken (in der tatsächlichen Form eine Sichel- oder Querklinge) und außerdem ist er etwas kürzer als der Suyari!

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    2. Dass es kürzer ist hattest du ja schon geschrieben... die Sichel klingt schmerzhaft!

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