Donnerstag, 11. Oktober 2012

Das Fressen ist vorbei!

Puh, gerade bin ich durch meine Haustür gestürzt, auf der Flucht vor tosendem Regen, der die Straßen überschwemmt.
Gerade ist der Taifun verzogen, kommt schon ein Tornado, der über die nördlichste Insel Hokkaido hinwegfegt. Und der bringt uns in Nara natürlich auch ein schönes Unwetter.
Um ehrlich zu sein, die letzten Tage waren alles andere als von schlechtem Wetter geprägt.
Mittlerweile hat sich ein recht angenehmer Spätsommer eingestellt, die Temperaturen liegen mittags so um die 26°C und seit dem Taifun vor zwei Wochen gab es keinerlei Regen und kaum Wolken.
Sonntags habe ich mir sogar ein wenig Sonnenbrand zugezogen...und ihr friert euch eure Hintern ab? :D

Mit dem heutigen Tag ist auch mein Fressmarathon beendet, wobei ich durchaus sagen muss, dass ich ihn genossen hab.
Letzte Woche Donnerstag wurde Sergio und mir ein großes Essen im europäischen Stil von der Frau des Dekans der Uni  zubereitet. Es gab Würstchen und Kartoffelbrei und Kohl, der als Sauerkraut durchgehen sollte. Dazu einen (etwas zu) lieblichen Riesling aber alles in allem war es doch mal wieder ganz schön, etwas "heimischeres" Essen zu genießen. Und auch wenn der Geschmack deutlich von dem der deutschen Küche abwich, war alles doch sehr sehr lecker.
Der Dekan wohnt im wohl begehrtesten (und dementsprechend teuersten) Viertel Naras, am Rande des großen Nara-Parks, wo sich auch die meisten Rehe der Stadt aufhalten. Bis zum Todaiji dauert es wohl nur fünf Minuten zu Fuß. Dafür muss man aufpassen - wenn man vergisst die Garten- oder Haustüre zu schließen, flitzen die Rehe blitzschnell ins traute Heim und fressen alles, was sie in ihre Mäuler stopfen können.
Wer in solch einer Lage wohnt, der kann natürlich nicht selbst einen fahrbaren Untersatz steuern. Deshalb stellt die Uni dem Dekan großzügigerweise einen Chauffeur inklusive zugehörigem Wagen (natürlich ein Mercedes Benz) zur Verfügung. 7 Tage die Woche, rund um die Uhr. Und er kann damit überall hinfahren wo er will - eine Unterscheidung zwischen Dienst- und Privatfahrten gibt es nicht...!

Während dem Essen entwickelte sich ein angeregtes Gespräch. Sergio zuliebe auf Englisch, aber da der Dekan äußerst gut Englisch sprechen kann, gab es ausnahmsweise auch keine Probleme hierbei.
Wir plauderten über Gott und die Welt, die Unterschiede zwischen Deutschland und Japan, die Entwicklungen im asiatischen Raum und insbesondere die momentane Krise zwischen China, Korea und dem Land der aufgehenden Sonne.
Sergio hatte dieses letzte Thema angeschnitten und ich befürchtete schon, dass er hiermit den Abend frühzeitig beenden würde. In der Regel ist es nicht sehr leicht, mit Japanern über Politik zu reden, oder generell zu diskutieren. Unterschiedliche Meinungen werden eher nicht in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt und Meinungsunterschiedlichkeiten häufig mit einer knappen Bemerkung beiseite gelegt, ohne einen Konflikt auszuleben.
Zu meiner Überraschung stellte sich der Dekan aber als wirklicher Mann von Welt heraus, mit dem es sich vollkommen frei debattieren ließ. Dabei war er auch jeglichen Gedanken unsererseits sehr aufgeschlossen. Ganz anders als ein Großteil der Menschen mit denen ich mich in meinem Leben unterhalten musste, die von sich selbst glaubten, schon viel erreicht zu haben, nur weil sie einen Titel trugen oder ein gehöriger Altersunterschied vorlag.
Alles in allem also ein äußerst angenehmer Abend!

Freitags fraß ich mit den Ärzten meiner Station und der Studenten des 6. Jahrgangs, die mittlerweile in gehörigem Lernstress stecken, da ihr Staatsexamen im April nächsten Jahres ansteht.
Für Sonntag hatte ich mich mit Sergio und Marika verabredet. Marika hatte Tickets für eine Ikebana und Sado Ausstellung in Kyoto besorgt - also Blumenstecken und Teezeremonie.
Dummerweise tauchte das finnische Gör nicht zur abgemachten Zeit am Treffpunt auf. Sergio und ich warteten eine Stunde - aber vergebens. Sie kam und kam nicht und da sie kein japanisches Handy besitzt, konnten wir sie unmöglich erreichen. Wie gesagt, sie hatte die Tickets und wir wussten noch nicht einmal, wo der Spaß stattfinden sollte, da sie es nicht für nötig gehalten hatte, uns darüber zu informieren.
Nach dieser Wartezeit entschlossen wir uns, alleine nach Kyoto aufzubrechen. Sergio wollte so oder so noch Omiyage kaufen und ich hatte es bisher noch nicht in diese wunderbare Stadt geschafft.
Etwas ziellos schlappten wir den Tag über durch die alte Kaiserstadt - Spaß hatten wir aber allemal!

Dieses Wochenende stellte eine willkommene Essenspause dar. Mein Magen hatte etwas Zeit sich in eine größere, mächtigere Form zu transformieren, so dass ich montags bereit war, die nächste Etappe in Angriff zu nehmen.
Ab mittags war ich bei einem meiner Ärzte nach Hause eingeladen, gemeinsam mit drei anderen Kollegen aus der Klinik, sowie der Familie einer dieser Ärztinnen.
Wir fingen um 14:00 Uhr an zu Essen und nach einem kleinen Mittagessen kamen Snacks und Süßigkeiten, bis ein mächtiges Abendessen aufgetischt wurde.
Es gab Sukiyaki - ein großer Pfannen-Topf-Hybrid wird mit Fett eingeschmiert und dann wird Gemüse und Fleisch mit viel Zucker und Sojasoße da drinne zubereitet. Was sehr einfach klingt ist extremst lecker und noch am nächsten Tag konnte ich kaum frühstücken, da ich soviel gegessen hatte, wie mein schmächtiger Körper vertragen konnte ohne bei der geringsten Berührung zu platzen.
Doch nicht genug, "Da du extra aus Deutschland den weiten Weg nach Japan gekommen bist, müssen wir doch noch was Trinken gehen!", sagte der Gastgeber und schwupps waren wir in der nächsten Bar und ließen uns mit Cocktails zulaufen, während der Arzt ständig Knabberzeugs und Schokolade(!) nachbestellte und seine Gäste quasi zwang alles zu essen und zu trinken was vor ihnen stand.
Sich dagegen zu wehren wurde durch die Tatsache erschwert, dass wirklich alles vor Ort sehr schmackhaft war (nagut, die Cocktails waren so lala und für meinen Geschmack auch zu lasch, aber mehr vertragen die Japaner eben nicht). Als ich - zugegebenermaßen nicht allzu spät - nach Hause kugelte, fiel ich schnurstracks in mein Bett, um einen unruhigen Verdauungsschlaf  zu verbringen.
Ach und wenn ihr euch fragt, weshalb ich montags die Zeit habe, den ganzen Tag über zu Schlemmen: es war mal wieder Feiertag, Tag der körperlichen Ertüchtigung! Naja, in meinem Verdauungstrakt gibt es ja auch so ein paar Muskeln...

Ein großes Highlight, das ich euch nicht vorenthalten möchte, war die Toilette meines Gastgebers:
sobald man das kleine Bad betrat, sprang der Klodeckel automatisch auf und ein einladendes neonblaues Licht begrüßte den Besucher aus dem Inneren der Schüssel. Natürlich war die Klobrille beheizt, es gab Musikfunktionen, Wasserdüsen und vermutlich einen Haufen anderer Funktionen, die ich nicht verstehen konnte. Verdammt, ich glaub dieses Klo hatte mehr Rechenleistung als mein PC zu Hause und sobald man sich erhob wurde - natürlich vollkommen automatisiert- gespült.
Ich hätte mich nicht gewundert, hätte ich eine Roboterstimme gehört, die mich über mein vollzogenes Geschäft gelobt hätte.

Gestern fand endlich meine "Willkommensparty" statt. Tatsächlich handelte es sich um ein Treffen der Station, um die neuen Ärzte im Praktikum zu begrüßen, aber da für mich keine wirkliche Kennenlernveranstaltung stattgefunden hatte, wurde ich als Ehrengast und "Superstar" (jap, das hatten die so auf ihren Infozettel geschrieben -.-) eingeladen.
Nach einem entspannenden Besuch im angeschlossenen Onsen fing das Schlemmen (schon wieder) an.
Hier gab es Eintopf, Sushi, frittierte Shrimps, Salat, Ananas, frittiertes Hühnchen, Tofu und und und.
Schade war bloß, dass am Ende des Abends furchtbar viel Essen übrig geblieben war. Generell ist mir bisher häufig aufgefallen, dass die Japaner eine noch wesentlich schlimmere Wegwerfkultur als wir in Deutschland pflegen. Bei fast jedem Essen zu dem ich eingeladen wurde, gab es zuviel - meistens viel zu viel - so dass ein Teil weggeworfen werden musste. Ein Großteil der japanischen Küche eignet sich auch nicht zum Aufheben und später essen. Eingefrorenes Sushi ist eben nicht so der Hit wenn es schon ein-zwei Stunden im Offenen rumlag...
Der Abend wurde dann beinahe etwas rührselig, da ich natürlich eine kleine (Dankes-)rede halten musste und mich bei dieser Gelegenheit schon einmal vorzeitig verabschiedete.
Denn meine Zeit auf dieser Station neigt sich dem Ende, in gerade einmal zwei Wochen werde ich sie bereits verlassen.

Aufmerksame Leser (oder geknechtete PJler) werden sofort bemerken, dass hier etwas nicht stimmt.
Eigentlich sollte ich ja erst Mitte November zu den Chirurgen wechseln. Es kam aber mal wieder alles anders. Der Arzt, der für die Austauschstudenten "verantwortlich" ist (ich habe ihn bisher nur zweimal gesehen und kaum mit ihm gesprochen...), hat mir angeboten, nocheinmal bei den Gastroenterologen vorbeizuschauen, bevor ich in die Chirurgie gehe.
Und da das ständige Kathetern auf die Dauer doch etwas eintönig geworden ist, habe ich bereitwillig zugestimmt.
Nichtsdestotrotz werde ich meine Ärzte auf Station sehr vermissen. Alle haben sich hier wirklich ein Bein ausgerissen (ihr solltet die Station sehen, es ist ein Anblick des Grauens!), um mir meinen Aufenthalt angenehm und leicht zu gestalten. Insbesondere mit den jüngeren Ärzten habe ich viele sehr unterhaltsame Momente verbracht und genossen.
Auf der anderen Seite bin ich mir fast sicher, dass ich auf den nächsten beiden Stationen ebenso nette Kollegen treffen werde und mir der Zugang zu den Japanern vermutlich noch etwas leichter fallen wird, da sich mein Japanisch doch etwas verbessert hat.
Die Leute mit denen ich konstant etwas in meiner Freizeit unternehme sind aber so oder so die Studenten und daran wird sich auch in den nächsten Monaten wohl nur wenig ändern.

Uuuuund es ist wieder Schluss - bis zum nächsten Mal!

PS: Und fühlt euch herzlich eingeladen, mir ruhig einmal aus den deutschen Gefilden zu berichten, ich erhalte ja doch sehr wenig Neuigkeiten von Übersee! Und damit meine ich keine (fast)!


1 Kommentar:

  1. Hmmm, wenn die Japaner ihre Dekane so gut behandeln bleibst du am Ende noch da, mit großen Ambitionen! Das klingt ja fast schon fürstlich ;)

    " die mittlerweile in gehörigem Lernstress stecken, da ihr Staatsexamen im April nächsten Jahres ansteht." ... Ich fühle mit ihnen .. -.-

    Sukiyaki klingt lecker :D

    Die Toilette klingt nach so einem ganz extremen Klischee aus den Simpsons oder so :D Dass sie dich nicht mit Namen angesprochen hat war wahrscheinlich auch alles...

    Naja, wenn sich alle ein Bein ausgerissen haben, siehst du sie ja vielleicht bald in der Chirurgie wieder... ahahah. ;)

    Also dann, Superstar Marcel :D

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