Dienstag, 30. Oktober 2012

Allein aber nicht verloren

Der Tag des Grauens war gekommen. Die Vorbereitungen hatten einige Zeit in Anspruch genommen, aber selbst diese Beschäftigung konnte mich nicht von den bevorstehenden Schrecklichkeiten ablenken. In mühevoller Kleinstarbeit hatte ich eintausendundein Taschentuch aneinander gebunden. Diese Tuchkette befestigte ich still und heimlich am Heck des Flugzeugs, natürlich unbemerkt vom Flughafenpersonal.
Sobald das Flugzeug abheben würde, sollte diese Abschiedskette im Winde flattern, als würden eintausendundein Japaner mit ihren Taschentüchern zum Abschied winken. Und Sergio konnte dieses Spektakel mit jedem Blick aus dem Kabinenfenster beobachten...

Naja, ganz so dramatisch und physikalisch unmöglich war es dann doch nicht, trotzdem hat Sergio mich vor einer Woche verlassen. Jetzt bin ich den Schlitzaugen also wirklich ausgeliefert!
Die gemeinsam hier verbrachte Zeit wurde aber natürlich noch ausgiebig begossen.
Mit einigen japanischen Studenten zusammen sind wir zunächst Essen gegangen, danach mit etwas anderer Besetzung (die Japaner hatten sich immer nur für einen Teil des Abends angemeldet, so dass wir insgesamt mit fast 20 Leuten unterwegs waren, obwohl zu jeder Zeit meistens nur 8-10 anwesend waren) Karaoke grölen und zuletzt zu mir, um den Japanern zu zeigen, was es wirklich bedeutet zu "Trinken"! Von den am Ende sieben (oder acht...?) anwesenden, lagen fünf niedergestreckt am Boden, als die Nacht von den ersten Sonnenstrahlen vertrieben wurde.


Wobei ich gestehen muss, dass sie sich für Japaner ziemlich gut geschlagen haben und mein Brummschädel am nächsten Tag war auch nicht so ohne...

In der darauffolgenden Nacht (Samstag auf Sonntag) nahm Sergio den Bus zum Flughafen um 5:30 Uhr. Jaaaa, da hab ich noch geschlafen :D
Aber dafür machten wir zumindest einen Teil der Nacht zusammen durch und gingen um 1:00 Uhr nochmal schnell im Supermarkt einkaufen - sehr praktisch so ein Laden der immer auf hat - 365 Tage im Jahr.

Um in meiner Einsamkeit zu versauern, ließ ich mich von der Ärztin, die sich bisher die meiste Zeit um mich gekümmert hat, zum Udon-Kochen (Weizennudeln) einladen. Gemeinsam mit ihren drei Kindern und ihrem Ehemann rollte ich den Teig aus und schnitt ihn in dicke Fäden - die später zu schmackhaften Nudeln gekocht wurden.
Am selben Tag fand auch ein kleines Stadt-/Tempelfest statt, dass wir noch besuchten. Da noch über 20 Grad herrschten fühlte es sich beinahe wie ein deutscher Spätsommertag an. Mittlerweile ist es hier aber auch etwas abgekühlt und selbst tagsüber werden nicht immer 20 Grad erreicht...

Letzte Woche schloss ich auch meinen ersten Teil des PJs ab - die Herz-Kreislaufstation habe ich mit dem gestrigen Tag verlassen und mich jetzt zu den Gastroenterologen begeben.
Hier verbringe ich nur zwei kurze Wochen, bevor es dann in die Gastrochirurgie geht.
Bisher kann ich mich auch hier alles andere als beklagen. Es werden mir vorallem verschiedenste endoskopische Eingriffe gezeigt - hier sind die Japaner technisch sehr weit fortgeschritten, haben aber auch eine der höchsten Speiseröhren- und Magenkrebsraten (heißt hier übrigens auch Magenkrebsu :D ). Es sieht allerdings so aus, als würde ich in den zwei Wochen nur Zuschauen können, naja.

Am Wochenende fand hier das jährliche Unifest statt, das sich nicht sehr von deutschen Schulfesten unterscheidet (generell gilt die Uni in Japan eher als weiterführende Schule, im Gegensatz zu Deutschland wo sie eine vollends eigene Entität darstellt. Eine richtige Unterscheidung zwischen Schülern und Studenten gibt es z.B. nicht). Es gab verschiedenste Essensstände, Bandauftritte und ein Skill-Lab, in dem die Besucher alle möglichen medizinischen Tätigkeiten an Puppen ausprobieren konnten (Blut abnehmen, Trachealtubus legen, Ultraschall, etc.).
Diejenigen meiner Kommilitonen, die sich noch an das Thesima erinnern können: die ganzen Puppen dort sind auch japanischer Machart, hier werden die gleichen Dinger verwendet, meist aber etwas neuere Modelle. Und, wie gesagt, sie haben auch ne Puppe, an der man abdominellen Ultraschall üben kann, das war ziemlich cool.
Später wurde noch ein Case-Report Video gezeigt, in dem ich den Patienten gespielt hab. Das war etwas grotesk, da die Japaner von mir verlangt hatten, sie mit Tomatensaft zu bespucken...
Sobald ich das Video bekomme, werde ichs euch natürlich zukommen lassen ^^
Gekrönt wurde das Spektakel von einer "Theateraufführung" der verschiedenen Clubs. In Japan gibt es kaum Vereine, Sport- und Freizeitaktivitäten werden in der Regel von den Schulen oder Unis organisiert. So wird hier Fußball, Tennis, Judo, Kendo, u.v.m. angeboten.
Fast jeder dieser Clubs hat am Ende des Fests ein kurzes Stück aufgeführt, das meistens nicht länger als fünf Minuten gedauert hat. Es gab zwei wichtige Regeln für die Aufführung:

1. es sollte möglichst grotesk ausfallen
2. irgendein sexueller Kontext sollte vorhanden sein (und es treten nur Männer auf, die sich ggf. auch als Frauen verkleiden)

Selbst jetzt muss ich noch den Kopf schütteln wenn ich mich an die verschiedenen Vorstellungen erinnere...
Ursprünglich hat das tatsächlich einen traditionellen Kern, viel Sinn gibt es trotzdem nicht.
Ich wurde unter anderem Zeuge von "Tampon-Man", der zwei holde Jungmännerfrauen aus den Klauen der bösen "Blutungen" befreite, musste mir mitanschauen, wie eine japanische Großfamilie eine Inzestorgie startete (der "Onkel" hatte einen Dildo auf seinen Kopf geklebt...) und wurde gezwungen einen Japaner, der nichts anderes trug, als einen Netzanzug und ein kleines "Hello Kitty"-Pappschild, dass sein bestes Stück kaum bedeckte (bei 16° abends), bei Golfübungen zu beobachten.
Alle diese Vorführungen haben ungefähr das Niveau von dreizehnjährigen Kindern, die zum ersten Mal Aufklärungsunterricht in der Schule erleben.
Ich kann aber nicht leugnen, dass wenn man seinen Intellekt ausschaltet, man über einige Dinge doch herzhaft lachen konnte. Andere verstörten einen aber schlicht und ergriffen und ich werde diese grässlichen Bilder bis zu meinem Lebensende nicht vergessen können...soviel zum Thema "Erinnerungen an Japan"!
Zu eurem Glück habe ich von den Vorführungen aber keine Photos geschossen, ansonsten würde mein Blog aber auch die Jugendfreigabe verlieren...

Zum Abschluss noch ein paar Photos - mir wurde ja von verschiedenen Quellen zugetragen, dass ich zuviel schreibe und ich will euren zärtlichen Verstand bloß nicht überlasten!


Blick vom "Nigatsudo"-Tempel auf Nara (das große Dach hinter den Bäumen gehört zum Todaiji!)



Sergio vorm Schloss Hikone, unsere letzte gemeinsame Tour



Auf zur Herrschaft über Japan!



Abschiedsessen


Abschiedskaraoke

 Abschiedsphoto






Beim Udonschneiden mit Zuschauer



 Photo mit der Familie Hasegawa



Der Kashihara-Jingu, tatsächlich einer der größten Schreine Naras und nur 2 km entfernt von meiner Haustür



Was man leider kaum erkennt ist tatsächlich ein Pikachumobil!
Warum es hier rumgefahren ist, weiß ich nicht, ein Photo gabs trotzdem!!!!






Freitag, 12. Oktober 2012

Abgeschlossen!

Ha, hier ausnahmsweise mal ein schnelles Update:

Ich hab heute die Unterschrift für meinen Quartalsbogen bekommen, d.h. ab jetzt muss ich nicht mehr in die Klinik gehen, da sie mir eh nichts mehr können!!!
Naja, in nem Monat muss ich dann halt immer noch vor den Chirurgen auftauchen und außerdem brauch ich noch nen Stempel vom Dekan, also sollte ich mich ab und an doch noch blicken lassen...

Außerdem habe ich heute meine Aufenthaltsgenehmigung für die nächsten vier Monate bekommen, wer also gehofft hat, dass ich deportiert werd und früher nach Hause komme, den muss ich leider enttäuschen.
Netterweise hat mir das Konsulat in Deutschland gesagt, dass man als Deutscher keinerlei Visum für Japan bräuchte, sofern man sich nicht länger als 6 Monate dort aufhält und kein Geld verdient.
Das stimmt aber nur bedingt, zumindest nach allem was ich nach einiger Internetrecherche herausgefunden habe.
Wenn man in Japan studieren möchte, wird an und für sich schon ein Visum benötigt. Im PJ ist das so eine Sache, da man ja keinerlei Noten oder Credits bekommt und man häufig gar nicht an einer Uni eingeschrieben ist. Was ich hier mache geht eben als Clinical Clerkship an der Uniklinik Nara durch, theoretisch gibt es dafür keinerlei Voraussetzung, hätte ich lieb gefragt, hätte ich vielleicht auch meinen medizinisch unwissenden Bruder an die Klinik als Praktikanten verkaufen können...
Lange Rede kurzer Sinn, ich musste also den Immigration Officers erklären, was ich hier ein halbes Jahr treiben würde, ohne speziell zu erwähnen, dass ich hier einen Teil meines Studiums ableiste.
Größte Sorge hatte ich bei der Angabe meiner Adresse. "Nara Medical University Guest House" lässt nicht allzu viel Spielraum bei der Interpretation der Absichten des Antragsstellers.
Interessanterweise wurde ich allerdings nicht danach gefragt, sondern was bitte Hozoin-Ryu Sojutsu sei und ob es mit Drogen, Menschenhandel oder Prostitution zu tun hätte...
Letzten Endes wurde mir die Aufenthaltsgenehmigung erteilt und kostete mich nochmal fast 40€ - ein in Deutschland beantragtes Visum hätte mich nach meinem Wissen weniger gekostet und mir mehr Freiheiten erlaubt (fast beliebig verlängerbar, ich wär in der Lage ein wenig Geld zu verdienen, etc.)...
Mein Rückkehrdatum steht damit auch fest und ich habe es nochmal um ein paar Tage nach hinten verschoben, um wirklich alle 180 Tage die mir jetzt zustehen in Japan zu verbringen. Am 13.02.2013 werde ich abends in Deutschland aufschlagen, hoffentlich nicht zu hart. Und ich freue mich schon auf den nächsten Tag, an dem ich dann morgens gleich wieder anfangen darf zu arbeiten...

Noch einige lustige Details und Hinweise, die ich bei meinem letzten Post vergessen hatte:

-halbiere immer die Zeitangabe die Japaner für Laufdistanzen machen. Die Immigration Officers schickten mich zur nächsten Post: "Mindestens zehn Minuten zu Fuß, wollen Sie das wirklich laufen?", fragte mich einer der beiden entsetzt.
Nach zehn Minuten war ich zurück und hatte alles erledigt. Das geht immer so...

-eine weitere wichtige Zutat von Sukiyaki: rohes Ei, verrührt in einem Schälchen, in das man das Fleisch und die restlichen heißen Zutaten tunkt, damit man sich nicht die Zunge (zu arg) verbrennt.

-als ich letztens von Nara nach Hause fuhr, kam ein anderer Ausländer auf mich zugestürzt. Mit zitternder Stimme erzählte er mir, dass er es irgendwie geschafft hätte, sein gesamtes japanisches Geld zu verbraten, jetzt aber unbedingt zur Hochzeit seines besten Freundes müsse und Geld für ein Ticket bräuchte (obwohl er bereits im Bahnhof war - in Japan löst man die Tickets vorher und kann nur mit gelöstem Ticket den Bahnhof betreten und verlassen). Das ganze klang schon arg verdächtig, aber er bot mir an, (süd-)koreanische Won gegen meine Yen zu tauschen. Ich hatte eh nur 2000 Yen bei mir (knapp 20€) und er zeigte mir auf seinem iPhone den aktuellen Umrechungungskurs. So richtig wohl fühlte ich mich bei der Sache nicht, aber ich sagte mir, 20€ kannst du im Notfall verkraften und wenn du jemals in einer ähnlichen Situation stecken würdest, würdest du einem Fremden, der dich daraus rettet, die Füße küssen. Wobei letzteres sicher nicht der entscheidende Punkt war, der mich dazu brachte, dem Tausch einzuwilligen.
Als ich nach Hause kam (die Post und damit die nächste Bank hatte bereits geschlossen) checkte ich sofort den Umrechnungkurs, vielleicht hatte er ja irgendein cleveres "Wir verarschen andere Ausländer am Bahnhof"-Programm auf seinem iPhone installiert. Tatsächlich hatte ich einen Gewinn von 200 Yen - fast 2€ zu verbuchen!
Gute Taten zahlten sich in dieser Welt also doch aus und freudestrahlend sprang ich bei nächster Gelegenheit zur Bank.
Nur, dass Wechselkurse in Japan generell sehr schlecht ausgelegt werden, bzw. die Banken vieeel für sich beanspruchen. So bekam ich von meinen 20€ nur 17€ wieder....ich werde nie wieder jemandem in Not helfen!

-eine sehr amüsanter Situation bei meiner mittwöchlichen Party hatte sich entwickelt, nachdem mein Chefarzt mich bat, den Japanern ein deutsches Schimpfwort beizubringen.
Es saßen dann dreißig erwachsene Menschen in einem Raum, die fünf Minuten lang "SCHEIßE" im Kanon riefen.

Und damit ihr nicht nur lesen müsst:


Reisfelder bei Kashihara


Der Wald um und auf dem Unebi-Berg bei Kashihara, in der Nähe des Grabes von Kaiser Jinmu, dem ersten (und vermutlich nur mythischen) Kaiser Japans überhaupt.


Festessen für deutsche Superstars, von links nach rechts:
Arzt im Praktikum (besoffen), Chefarzt (besoffen), Facharzt (besoffen), Marcel (nüchtern)



So eine Tür will ich in meinem zukünftigen Haus auch haben, für ungebetene Gäste...oder meine Freunde! Nur der Graben sollte etwas weiter ausfallen...und vielleicht einige Krokodile oder Haie beherbergen...


Donnerstag, 11. Oktober 2012

Das Fressen ist vorbei!

Puh, gerade bin ich durch meine Haustür gestürzt, auf der Flucht vor tosendem Regen, der die Straßen überschwemmt.
Gerade ist der Taifun verzogen, kommt schon ein Tornado, der über die nördlichste Insel Hokkaido hinwegfegt. Und der bringt uns in Nara natürlich auch ein schönes Unwetter.
Um ehrlich zu sein, die letzten Tage waren alles andere als von schlechtem Wetter geprägt.
Mittlerweile hat sich ein recht angenehmer Spätsommer eingestellt, die Temperaturen liegen mittags so um die 26°C und seit dem Taifun vor zwei Wochen gab es keinerlei Regen und kaum Wolken.
Sonntags habe ich mir sogar ein wenig Sonnenbrand zugezogen...und ihr friert euch eure Hintern ab? :D

Mit dem heutigen Tag ist auch mein Fressmarathon beendet, wobei ich durchaus sagen muss, dass ich ihn genossen hab.
Letzte Woche Donnerstag wurde Sergio und mir ein großes Essen im europäischen Stil von der Frau des Dekans der Uni  zubereitet. Es gab Würstchen und Kartoffelbrei und Kohl, der als Sauerkraut durchgehen sollte. Dazu einen (etwas zu) lieblichen Riesling aber alles in allem war es doch mal wieder ganz schön, etwas "heimischeres" Essen zu genießen. Und auch wenn der Geschmack deutlich von dem der deutschen Küche abwich, war alles doch sehr sehr lecker.
Der Dekan wohnt im wohl begehrtesten (und dementsprechend teuersten) Viertel Naras, am Rande des großen Nara-Parks, wo sich auch die meisten Rehe der Stadt aufhalten. Bis zum Todaiji dauert es wohl nur fünf Minuten zu Fuß. Dafür muss man aufpassen - wenn man vergisst die Garten- oder Haustüre zu schließen, flitzen die Rehe blitzschnell ins traute Heim und fressen alles, was sie in ihre Mäuler stopfen können.
Wer in solch einer Lage wohnt, der kann natürlich nicht selbst einen fahrbaren Untersatz steuern. Deshalb stellt die Uni dem Dekan großzügigerweise einen Chauffeur inklusive zugehörigem Wagen (natürlich ein Mercedes Benz) zur Verfügung. 7 Tage die Woche, rund um die Uhr. Und er kann damit überall hinfahren wo er will - eine Unterscheidung zwischen Dienst- und Privatfahrten gibt es nicht...!

Während dem Essen entwickelte sich ein angeregtes Gespräch. Sergio zuliebe auf Englisch, aber da der Dekan äußerst gut Englisch sprechen kann, gab es ausnahmsweise auch keine Probleme hierbei.
Wir plauderten über Gott und die Welt, die Unterschiede zwischen Deutschland und Japan, die Entwicklungen im asiatischen Raum und insbesondere die momentane Krise zwischen China, Korea und dem Land der aufgehenden Sonne.
Sergio hatte dieses letzte Thema angeschnitten und ich befürchtete schon, dass er hiermit den Abend frühzeitig beenden würde. In der Regel ist es nicht sehr leicht, mit Japanern über Politik zu reden, oder generell zu diskutieren. Unterschiedliche Meinungen werden eher nicht in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt und Meinungsunterschiedlichkeiten häufig mit einer knappen Bemerkung beiseite gelegt, ohne einen Konflikt auszuleben.
Zu meiner Überraschung stellte sich der Dekan aber als wirklicher Mann von Welt heraus, mit dem es sich vollkommen frei debattieren ließ. Dabei war er auch jeglichen Gedanken unsererseits sehr aufgeschlossen. Ganz anders als ein Großteil der Menschen mit denen ich mich in meinem Leben unterhalten musste, die von sich selbst glaubten, schon viel erreicht zu haben, nur weil sie einen Titel trugen oder ein gehöriger Altersunterschied vorlag.
Alles in allem also ein äußerst angenehmer Abend!

Freitags fraß ich mit den Ärzten meiner Station und der Studenten des 6. Jahrgangs, die mittlerweile in gehörigem Lernstress stecken, da ihr Staatsexamen im April nächsten Jahres ansteht.
Für Sonntag hatte ich mich mit Sergio und Marika verabredet. Marika hatte Tickets für eine Ikebana und Sado Ausstellung in Kyoto besorgt - also Blumenstecken und Teezeremonie.
Dummerweise tauchte das finnische Gör nicht zur abgemachten Zeit am Treffpunt auf. Sergio und ich warteten eine Stunde - aber vergebens. Sie kam und kam nicht und da sie kein japanisches Handy besitzt, konnten wir sie unmöglich erreichen. Wie gesagt, sie hatte die Tickets und wir wussten noch nicht einmal, wo der Spaß stattfinden sollte, da sie es nicht für nötig gehalten hatte, uns darüber zu informieren.
Nach dieser Wartezeit entschlossen wir uns, alleine nach Kyoto aufzubrechen. Sergio wollte so oder so noch Omiyage kaufen und ich hatte es bisher noch nicht in diese wunderbare Stadt geschafft.
Etwas ziellos schlappten wir den Tag über durch die alte Kaiserstadt - Spaß hatten wir aber allemal!

Dieses Wochenende stellte eine willkommene Essenspause dar. Mein Magen hatte etwas Zeit sich in eine größere, mächtigere Form zu transformieren, so dass ich montags bereit war, die nächste Etappe in Angriff zu nehmen.
Ab mittags war ich bei einem meiner Ärzte nach Hause eingeladen, gemeinsam mit drei anderen Kollegen aus der Klinik, sowie der Familie einer dieser Ärztinnen.
Wir fingen um 14:00 Uhr an zu Essen und nach einem kleinen Mittagessen kamen Snacks und Süßigkeiten, bis ein mächtiges Abendessen aufgetischt wurde.
Es gab Sukiyaki - ein großer Pfannen-Topf-Hybrid wird mit Fett eingeschmiert und dann wird Gemüse und Fleisch mit viel Zucker und Sojasoße da drinne zubereitet. Was sehr einfach klingt ist extremst lecker und noch am nächsten Tag konnte ich kaum frühstücken, da ich soviel gegessen hatte, wie mein schmächtiger Körper vertragen konnte ohne bei der geringsten Berührung zu platzen.
Doch nicht genug, "Da du extra aus Deutschland den weiten Weg nach Japan gekommen bist, müssen wir doch noch was Trinken gehen!", sagte der Gastgeber und schwupps waren wir in der nächsten Bar und ließen uns mit Cocktails zulaufen, während der Arzt ständig Knabberzeugs und Schokolade(!) nachbestellte und seine Gäste quasi zwang alles zu essen und zu trinken was vor ihnen stand.
Sich dagegen zu wehren wurde durch die Tatsache erschwert, dass wirklich alles vor Ort sehr schmackhaft war (nagut, die Cocktails waren so lala und für meinen Geschmack auch zu lasch, aber mehr vertragen die Japaner eben nicht). Als ich - zugegebenermaßen nicht allzu spät - nach Hause kugelte, fiel ich schnurstracks in mein Bett, um einen unruhigen Verdauungsschlaf  zu verbringen.
Ach und wenn ihr euch fragt, weshalb ich montags die Zeit habe, den ganzen Tag über zu Schlemmen: es war mal wieder Feiertag, Tag der körperlichen Ertüchtigung! Naja, in meinem Verdauungstrakt gibt es ja auch so ein paar Muskeln...

Ein großes Highlight, das ich euch nicht vorenthalten möchte, war die Toilette meines Gastgebers:
sobald man das kleine Bad betrat, sprang der Klodeckel automatisch auf und ein einladendes neonblaues Licht begrüßte den Besucher aus dem Inneren der Schüssel. Natürlich war die Klobrille beheizt, es gab Musikfunktionen, Wasserdüsen und vermutlich einen Haufen anderer Funktionen, die ich nicht verstehen konnte. Verdammt, ich glaub dieses Klo hatte mehr Rechenleistung als mein PC zu Hause und sobald man sich erhob wurde - natürlich vollkommen automatisiert- gespült.
Ich hätte mich nicht gewundert, hätte ich eine Roboterstimme gehört, die mich über mein vollzogenes Geschäft gelobt hätte.

Gestern fand endlich meine "Willkommensparty" statt. Tatsächlich handelte es sich um ein Treffen der Station, um die neuen Ärzte im Praktikum zu begrüßen, aber da für mich keine wirkliche Kennenlernveranstaltung stattgefunden hatte, wurde ich als Ehrengast und "Superstar" (jap, das hatten die so auf ihren Infozettel geschrieben -.-) eingeladen.
Nach einem entspannenden Besuch im angeschlossenen Onsen fing das Schlemmen (schon wieder) an.
Hier gab es Eintopf, Sushi, frittierte Shrimps, Salat, Ananas, frittiertes Hühnchen, Tofu und und und.
Schade war bloß, dass am Ende des Abends furchtbar viel Essen übrig geblieben war. Generell ist mir bisher häufig aufgefallen, dass die Japaner eine noch wesentlich schlimmere Wegwerfkultur als wir in Deutschland pflegen. Bei fast jedem Essen zu dem ich eingeladen wurde, gab es zuviel - meistens viel zu viel - so dass ein Teil weggeworfen werden musste. Ein Großteil der japanischen Küche eignet sich auch nicht zum Aufheben und später essen. Eingefrorenes Sushi ist eben nicht so der Hit wenn es schon ein-zwei Stunden im Offenen rumlag...
Der Abend wurde dann beinahe etwas rührselig, da ich natürlich eine kleine (Dankes-)rede halten musste und mich bei dieser Gelegenheit schon einmal vorzeitig verabschiedete.
Denn meine Zeit auf dieser Station neigt sich dem Ende, in gerade einmal zwei Wochen werde ich sie bereits verlassen.

Aufmerksame Leser (oder geknechtete PJler) werden sofort bemerken, dass hier etwas nicht stimmt.
Eigentlich sollte ich ja erst Mitte November zu den Chirurgen wechseln. Es kam aber mal wieder alles anders. Der Arzt, der für die Austauschstudenten "verantwortlich" ist (ich habe ihn bisher nur zweimal gesehen und kaum mit ihm gesprochen...), hat mir angeboten, nocheinmal bei den Gastroenterologen vorbeizuschauen, bevor ich in die Chirurgie gehe.
Und da das ständige Kathetern auf die Dauer doch etwas eintönig geworden ist, habe ich bereitwillig zugestimmt.
Nichtsdestotrotz werde ich meine Ärzte auf Station sehr vermissen. Alle haben sich hier wirklich ein Bein ausgerissen (ihr solltet die Station sehen, es ist ein Anblick des Grauens!), um mir meinen Aufenthalt angenehm und leicht zu gestalten. Insbesondere mit den jüngeren Ärzten habe ich viele sehr unterhaltsame Momente verbracht und genossen.
Auf der anderen Seite bin ich mir fast sicher, dass ich auf den nächsten beiden Stationen ebenso nette Kollegen treffen werde und mir der Zugang zu den Japanern vermutlich noch etwas leichter fallen wird, da sich mein Japanisch doch etwas verbessert hat.
Die Leute mit denen ich konstant etwas in meiner Freizeit unternehme sind aber so oder so die Studenten und daran wird sich auch in den nächsten Monaten wohl nur wenig ändern.

Uuuuund es ist wieder Schluss - bis zum nächsten Mal!

PS: Und fühlt euch herzlich eingeladen, mir ruhig einmal aus den deutschen Gefilden zu berichten, ich erhalte ja doch sehr wenig Neuigkeiten von Übersee! Und damit meine ich keine (fast)!


Mittwoch, 3. Oktober 2012

Traditionelles Bier

Da die Tage in der Klinik meist recht ähnlich ablaufen, werd ich mich auch diesmal in meinem Text auf das letzte Wochenende konzentrieren.
Solltet ihr mehr aus der Klinik hören wollen, müsst ihr euch eben Gehör verschaffen!

Letzte Woche habe ich eine Klinik-ID erhalten, mit der ich jetzt auch Zugriff auf das elektronische "Karten"-System habe. Die Patientenkurven heißen hier netterweise "Karte" und Patienten werden auch "entorassen".
Mit viel Macht kommt jedoch auch viel Verantwortung und so wurden mir vier Patienten zugeteilt, die ich regelmäßig visitieren und ihren Krankheitsverlauf dokumentieren soll.
Prinzipiell muss ich dann einen der Patienten bei der wöchentlichen Chefarztvisite vorstellen. Diese Woche hatte aber ein bösartiger Hacker meine ID manipuliert und ausgerechnet den Patienten meinem Zugriff verwehrt(ich kann nämlich nur Patientendaten betrachten, die mir von einem Arzt zugeteilt wurden), den ich hätte vorstellen sollen - was weniger Arbeit für mich bedeutete...auch nicht so schlimm.

Letzten Freitag war ich mit drei Medizinstudenten auf dem Oktoberfest in Osaka. Traditionellerweise hatten die Frauen (also zumindest diejenigen, die vor Ort gearbeitet haben) auch alle Trachten an, nur Lederhosen habe ich vermisst.
Dafür gab es aber echte deutsche Konservendosenwurst+Sauerkraut und deutsches Bier das 13€ für 500ml gekostet hat!
Da ich meinen japanischen Freunden quasi seit meiner Ankunft erzählt habe, wie toll deutsches Bier doch sei (in Japan kennt man aus Deutschland zwei, vll. drei Dinge: Autos, Bier und evtl. Würstchen - wobei hierunter auch Wurst fällt) konnte ich natürlich nicht verzichten und habe mich auf zwei Gläser eingelassen und damit meinen finanziellen Ruin mit Schallgeschwindigkeit beschleunigt.
Das Bier war lecker - immerhin - und man muss eben Opfer bringen, wenn man neue Freundschaften knüpfen will - von wegen Geld kann keine Freunde kaufen, ha!

Musikalische Unterhaltung aus Bayern eingeflogen, die Japaner stehen auf Gejodel!


Das spricht wohl für sich...


Und jap, die Japaner können ganz schön feiern, selbst zu bayerischen Schlagersongs!

 
 Ihre japanischen Kehlen wurden entjungfert (der vierte versteckt sich, aber irgendwer muss ja Photos machen)


Die ganze Bande (Ryuta, hier links im Bild, ist mittlerweile schon gut angetrunken [nach anderthalb Bier], die anderen Leute kannten wir nicht, die saßen nur so neben uns und irgendwann haben wir angefangen, wild Photos voneinander zu schießen)


Persönliches Highlight: Ca. alle fünf Minuten wurde "Ein Prosit der G'mütlichkeit" gesungen und natürlich haben alle Japaner mitgegrölt.

Nach viel zu viel Geld, dass wir in viel zu kurzer Zeit dort liegen gelassen haben, sind wir dann wieder nach Hause aufgebrochen, schließlich hatte ich am nächsten Tag Training...

...das diesmal sogar stattfand! Aaaaaaber nur für eine Stunde -.-
Da mir niemand Bescheid gesagt hatte und ich normalerweise eine halbe Stunde zu früh ankomm um mich mit dem Rest der Truppe aufzuwärmen, habe ich auch diesmal eine Stunde eher locker trainiert, ab und an kam mal jemand, um mich auf Fehler hinzuweisen, aber erst als wir uns dann zur Verabschiedung aufstellten (übrigens: Begrüßung und Abgruß wird hier mit Taikotrommeln eingeleitet, sehr stylisch!) war mir klar: hmm irgendwie war das Training heute kürzer als sonst!

In der Kabine wurde ich dann aufgeklärt: Heute war der Tag des jährlichen Enbukai am Kofukuji.
Wer jetzt nur Bahnhof verstanden hat:
Enbukai = Demonstration
Kofukuji ist der Nachbartempel des Hozointempels. Im Gegensatz zum Hozointempel steht der Kofokuji allerdings noch - prinzipiell sind sie aber beide auf dem selben Grund errichtet worden und die Mönche des Kofukuji pflegen noch immer die guten Beziehungen zu den Nachfahren der Kriegsmönche des Hozoin.
Einer der Mönche des Kofukuji ist im Übrigen Deutscher und einer meiner Trainingskollegen hat mir versprochen, mich ihm mal vorzustellen, falls sich eine Gelegenheit ergibt, mal sehen!


Die perfekte Kulisse für eine Koryu:


Moderne Samurai, mit Anzug und Speer:


Bevor es losgeht muss ersteinmal gebetet werden:


Links der kürzere Kamayari(sieht man leider kaum), rechts der Suyari:


Links Ichiya Soke(Oberhaupt) der Hozoin Ryu, rechts Maeda-sensei, der sich bisher um mich gekümmert hat:


Hier kann man die Besonderheit des Kamayari erkennen:


Nach der Demonstration bin ich mit Sergio noch durch Nara geschlappt. Sergio verlässt mich bereits in zwei Wochen und ist jetzt auf fanatischer Suche nach Omiyage - Mitbringseln für Deutschland.

Da ich aber durch frühes Aufstehen und eine anstrengende Woche ziemlich fertig war, habe ich mich etwas früher verabschiedet und bin abends heim gefahren, um erstmal ein heißes Bad zu nehmen und einen ruhigen Abend zu verbringen.

Seit Sonntag ist hier eine weitere Medizinstudentin aus dem fernen Westen, eine Finnländerin namens Marika und da Japaner generell vor allem was Englisch spricht und weiß ist Angst haben, haben sie uns (Sergio und mich) gebeten, ihnen zu helfen, Marika etwas von Nara zu zeigen.
Deswegen sind wir früh zu zweit aufgebrochen, um einige Medizinstudenten und Marika in der Stadt zu treffen. Da Japaner aber auch niemandem der aus dem Ausland kommt zutrauen, alleine zurecht zukommen, wurde uns eine Begleitung zur Seite gestellt, die uns auf dem beschwerlichen Weg nach Nara mit Rat und Tat unterstützen sollte. Ich merke an: ich fahre einmal die Woche alleine mit dem Zug(!) nach Nara und Sergio ist auch schon genug rumgekommen, um den Weg zu finden aaaber nun gut, so hatten wir immerhin etwas mehr Unterhaltung.
Sobald wir in Nara die Finnin trafen, fing es an zu regnen. Heftig zu regnen. Ob das wohl ein Wink des Schicksals war?
Endlich war es also soweit, dass der erste Taifun des Jahres über die hügelige Landschaft Japans hinwegfegte. Tatsächlich war es ein relativ lascher Taifun. Es regnete zwar "viel" aber nicht ungewöhnlich viel und es windete schon stark aber man konnte noch ohne Weiteres Laufen ohne vom Wind auf den Boden geworfen zu werden. Im Gegensatz zu meinen Erfahrungen von vor acht Jahren also ein ziemlicher Witz.
Nichtsdestotrotz war es furchtbares Wetter, um Sightseeing zu betreiben. Wir flitzten also durch eine überdachte Einkaufsstraße, schnell zum Kofukuji, wo wir uns erstmal in der "National Treasure Hall" verbarrikardierten.
Während Marika und zwei Studenten sich das Museum im Inneren anschauten, wartete der Rest von uns draußen und philosophierte über Buddhismus und Christentum.


Danach wollten wir noch zum Todaiji, einem Tempel in dem sich die größte Buddhastatue Japans(?), Asiens(?) befindet. Da das Wasser auf den Straßen aber mittlerweile knöchelhoch stand entschlossen wir uns zunächst einmal, etwas für das Wohlbefinden unserer Körper zu tun.
Wir suchten uns also ein Restaurant, das mit einer Weltattraktion auf sich aufmerksam machte:
Japans größte Modelleisenbahn war mitten auf dem Esstisch aufgebaut! Das sorgte insbesondere dafür, dass man sich schlecht unterhalten konnte, da man aufgereiht wie an einer Bar sitzen musste und wir immerhin zu zehnt waren. Das Essen war dementsprechend, ich mein kommt schon, wer will DAS nicht sehen, teuer, aber dafür gab es All-You-Can-Drink-Cola.
Etwas ernüchtert einigten wir uns darauf, es für heute zu belassen und machten uns auf den Heimweg. Glücklicherweise hatten zwei Japaner mittlerweile ihre Autos besorgt und konnten uns relativ trocken heim fahren.


Das wars dann für heute von mir, etwas weniger Text, etwas mehr Bilder. Jetzt muss ich mich erstmal auf einen Fressmarathon vorbereiten: heute wurde mein Abendessen von Pharmafirmen bezahlt, morgen bin ich beim Dekan zum Essen eingeladen, am Freitag geht die Station zusammen Essen, montags bin ich bei einem Arzt zum Essen eingeladen und nächste Woche Mittwoch gibt es ein großes Festessen bei meiner (verspäteten) Willkommensparty! Vielleicht nehm ich hier doch noch zu...