Letzte Woche verlief relativ unspektakulär. Von Montag abend bis Mittwoch bekam ich Besuch von Julia aus meinem Kenjutsu-Training für zwei Tage, da sie in Tokyo einen Teil ihres Referendariats absolviert hat und jetzt die letzte Woche noch durch Japan reiste. Zusammen haben wir mit den japanischen Studenten Spaghetti-Carbonara gekocht und das war auch schon der Höhepunkt der letzten Tage.
Umso ereignisreicher gestaltete sich der Samstag...und glorreicher...!
Zunächst einmal musste ich früh aufstehen, da ich ja nach Nara wollte, um Trainieren zu gehen. Das war gar nicht so leicht, da Sergio und ich am Abend zuvor noch nen Film angeschaut haben und ich dementsprechend spät ins Bett bin. Wie bereits erwähnt, muss ich Samstags um 8:00 Uhr den Zug erwischen, damit ich bis um halb zehn in meinem Dojo ankomme. Auf der Zugfahrt habe ich erstmal die milden Temperaturen genossen, in den letzten Tagen ist es deutlich abgekühlt, man könnte beinahe von winterlichen Verhältnissen sprechen (ca. 27° tagsüber).
Vom Hauptbahnhof Nara bis zur Trainingshalle dauert es nochmal ne knappe Viertelstunde zu Fuß. Aber ich war frohen Mutes jetzt zum zweiten Mal trainieren zu können, gerade auch, da ich bei diesen Temperaturen vielleicht nicht ganz so große Schweißpfützen auf dem Boden hinterlassen würde.
Es kam natürlich ganz anders.
Mit Entschlossenheit und Eifer in meinem Blick stieß ich die Tür des Dojos auf, hinter der sicherlich schon meine Trainingskollegen warten würden, um mich in den Geheimnissen der Speerkunst zu unterweisen.
Um es abzukürzen: nein, es wartete niemand auf mich. Stattdessen sprang mir eine Meute japanischer Grundschulkinder entgegen, alle in Keiko-Gi und Hakama gekleidet. Für diejenigen unter euch, die sich mit dieser Beschreibung kein Bild machen können, stellt es euch so vor:
Ca. zwanzig Minisamurai, alle etwas höher als mein Knie, kommen kreischend und mit irrem Blick auf mich zugerannt. Hätte ich nicht gesehen, dass sich in sicherem Abstand auch ältere Japaner (vermutlich die Eltern der Minisamurai, wie ich blitzschnell kombinierte) aufhielten, hätte ich einfach die Tür vor mir verschlossen und wäre davon gerannt - vermutlich mit einem nicht sehr männlichen Schrei auf meinen Lippen.
So schluckte ich die Angst herunter, sprang zur Seite, um nicht unter den herumtollenden Killermaschinen begraben zu werden und versuchte möglichst schnell mit jemandem Kontakt aufzunehmen, der mir diese Situation erklären konnte.
Eine nette Frau sagte mir dann geduldig (wobei man an ihren blutunterlaufenen Augen erkennen konnte, dass ihre Geduld in den letzten Stunden durch die kreischenden Kriegerchen schon kräftig strapaziert wurde), dass heute wohl im Rahmen einer Veranstaltung für die Kinder jegliches andere Training ausfällt. Das konnte ich natürlich nicht wissen, da ich letzte Woche nicht beim Training anwesend war.
Um zusammenzufassen: ich hatte mich früh morgens aus meinem Bett gequält, war eine knappe Stunde Zug gefahren (für fast 5€) und eine Viertelstunde gelaufen, um gesagt zu bekommen, dass ich jetzt wieder heim gehen könne.
Meine Begeisterung war grenzenlos.
Aber hey, es war Samstag, ich musste nicht in die Klinik und hatte jetzt immerhin den ganzen Tag frei und würde mir das nicht nehmen lassen. Statt sofort nach Kashihara zurückzufahren spazierte ich also noch etwas durch Nara. Da ich viele der Tempel und Schreine schon gesehen hatte, suchte ich mir einen Weg durch die nicht so touristischen Wohnviertel, entlang an einem recht idyllischen Fluss, an dessen Ufer man so etwas ähnliches wie Stille (Luxusgut in Japan!) erleben konnte und wo ich die Theorie formulierte, dass Japaner nur so klein sind, weil die japanischen Insekten so groß sind.
Die Mechanismen sind mir noch nicht ganz klar, aber nach längerem drüber Nachdenken bin ich mir ziemlich sich, dass ich auf einer heißen Spur bin. Ganz ehrlich, handtellergroße Spinnen haben hier an jedem Wegrand ihre Netze gesponnen, Zikaden, Kakerlaken und Libellen, die alle so groß sind wie kleine Mäuse zischen hier überall in der Gegend rum und gefährden das Leben jedes Insektophobiker (der sich auf der Flucht z.B. in besagten Fluß werfen könnte, o.ä.).
Nur die Schnaken sind klein und ihre Stiche glücklicherweise auch nicht von allzu quälender Natur.
Den Rest meiner Zeit in Nara verbrachte ich damit, ein offenes WLAN zu suchen, da Amazon mir nicht gestattet, mit meinem Laptop neue Bücher für meinen Kindle zu kaufen. Mit dem Kindle darf ich allerdings shoppen bis ich pleite bin...
Jetzt habe ich aufjedenfall neuen Lesestoff.
Auf dem Weg nach Kashihara verspeiste ich noch schnell zwei Fertigsandwiches und ein Onigiri (Reisballen mit Algen umwickelt - sehr lecker als kleiner Snack) und genoß im Zug meine neue Lektüre.
Zuhause blieb mir nicht viel Zeit, ich kam gerade dazu mich umzuziehen, denn mittags erwartete mich schon der nächste Programmpunkt.
Sergio war nämlich von einem seiner Ärzte zu einem Nachmittagsbrunch in Osaka eingeladen worden und hatte mich gefragt, ob ich nicht auch Lust hätte, mitzukommen. Ich dachte mir nichts böses dabei und sagte gleich zu. Erst als Sergio von seinem Arzt die Antwort bekam, dass es vollkommen OK sei, dass ich mitkommen würde, fiel uns unser Fehler auf.
In Japan gibt es das sogenannte Kohai-Senpai System. Dieses System basiert auf Erfahrung der jeweiligen Person und betrifft quasi jede soziale Aktivität der Japaner. Die erfahrenen werden dementsprechend Senpai genannt, die Neulinge Kohai.
Alter spielt keine Rolle, so wird z.B. ein 40-jähriger, der frisch in einen Schwimmverein eintritt, gegenüber einem 20-jährigen, der in besagtem Verein seit 5 Jahren Mitglied ist, stehts die Rolle des Kohai einnehmen. Auch auf der Arbeit herrscht dieses System, was vermutlich einer der Gründe ist, weshalb es formelle Abgrenzungen wie bei uns (Assistenzarzt, Facharzt, Oberarzt) fast nicht gibt.
Wichtig bei diesem System ist, dass die einzelnen Rollen auch verschiedene Aufgaben zu erfüllen haben. Die Senpai sind erfahrener in dem was sie tun und sind deshalb (sozial) dazu verpflichtet, die Kohai zu unterweisen und zu unterstützen. Im Gegenzug übernehmen die Kohai einfache Aufgaben, für die nicht viele Fähigkeiten oder Erfahrung benötigt werden. Bei meinem Sojutsu-Training sieht das so aus, dass die Senpai die Rolle der Trainer einnehmen und die Kohai nach dem Training die Speere wegräumen und die Halle putzen.
Bei der Arbeit kommt noch ein finanzieller Aspekt hinzu. Da die Senpai in der Regel mehr Geld verdienen (nicht zwangsläufig, da ein Kohai z.B. auch erfolgreicher sein kann und eine höhere Stellung bei der Arbeit einnimmt als sein Senpai, obwohl die Kohai-Senpai-Beziehung sich dadurch nicht verändern wird), wird von ihnen auch erwartet, ihre Kohai davon profitieren zu lassen. Praktisch sieht das so aus, dass Firmenessen oder Barausflüge mit der Klinikbelegschaft von den erfahreneren Arbeitern/Ärzten (zumindest zu einem Großteil) bezahlt werden. Sergio und ich profitieren sehr davon, da wir regelmässig zu Mittag- und Abendessen eingeladen werden, in Restaurants die definitiv unsere finanziellen Möglichkeiten sprengen würden (Sergio war letztes Wochenende wohl in einem der teuersten Restaurants Kyotos...!).
Mit diesem Gedanken in Kopf gingen wir nochmal die Einladung von Sergios Arzt durch. Dort war, etwas untypisch, der Preis des Buffets aufgelistet. 5000 Yen sollte der Spass kosten, umgerechnet knapp 50 €.
Da es sich um eine Masseneinladung handelte, gingen wir davon aus, dass die Allgemeinheit wohl selbst bezahlen sollte, Sergio würde aber sicherlich eingeladen werden. Die Frage stellte sich nur, ob ich auch die Gunst der Japaner ausnutzen könnte, oder diese nicht unbeachtlichen Kosten an mir hängen bleiben würden.
Ich hatte aber ja schon zugesagt und die Japaner rechneten nun damit, dass zwei Ausländer auftauchen würden - jetzt abzusagen würde wohl nicht sehr höflich erscheinen, zudem dass ja auch meine zukünftigen Kollegen sein werden.
Wir entschlossen uns also dazu, den Preis zu splitten, sollte ich selbst zahlen müssen. Ha!
Gegen halb drei brach ich nach Osaka auf. Sergio hatte mir den Namen der Bar genannt, Google hatte mir zehn verschiedene Adressen ausgespuckt. Glücklicherweise hatte "Bing" einen klaren Ort markiert, wo sich die Bar befinden sollte. Sergio hat leider nur sein deutsches Handy hier, deswegen können wir nicht ohne weiteres Kontakt miteinander aufnehmen, was sich noch als Problem herausstellen sollte.
Das Buffet sollte ab halb vier starten. Ich war pünktlich am von Bing markierten Gebäude angekommen, wo sich natürlich nicht die gesuchte Bar befand, sondern nur ein deutsches Restaurant "Hanburugu" (allerdings ohne Deutsche).
Da stand ich nun, nicht in der Lage, irgendwie die richtige Adresse (das ist in Japan durch fehlende Häusernummern eh schwierig) herauszufinden, in einem Bezirk, wo alle zehn Meter eine Bar, ein Cafe oder ein Restaurant zu finden ist, so dass mir auf Anfrage natürlich auch niemand helfen konnte. Wobei ich sehr viele Tipps erhielt, welche anderen Bars in der Gegend gut seien und wo ich unbedingt mal hin müsste...
Ich irrte für beinahe eine dreiviertel Stunde umher und dachte mir schon, dass der Tag sich so fortsetzen würde, wie er begonnen hatte. Aber diesmal lachte mir das Schicksal zu.
Als ich ein weiteres Mal zu dem von Bing markierten Gebäude kam, stand davor Sergio.
"Ha, sicherlich ist die Bar doch da drinne, ich habe sie bloß übersehen, doof wie ich bin und Sergio wartet schon die ganze Zeit davor, um mich zu finden!" , dachte ich mir und eilte ihm entgegen.
Tja, falsch gedacht. Tatsächlich hatte Sergio auch nur die fehlerhafte Anweisung von Bing, so dass wir jetzt zu zweit ahnungslos waren.
Glücklicherweise stellte sich heraus, dass er die Handynummer seines Arztes mitgebracht hatte. Mit meinem Handy konnten wir ihn erreichen und fanden dann auch recht schnell den richtigen Ort.
Aber es wurde noch besser.
Die Ärzte freuten sich riesig uns zu sehen, auch wenn wir über eine Stunde zu spät waren. Als erstes wurde uns die Frage gestellt: Wollt ihr jetzt gleich oder am Ende bezahlen?
Worst case...super...
Sergio und ich wechselten einen kurzen Blick, wir hatte schon vorher besprochen, dass es auch dazu kommen könnte. Dieses eine Essen schien von den sonst allgemeingültigen Kohai-Senpai-Regeln ausgeschlossen zu sein.
Wir bezahlten also und nahmen uns vor, uns wenigstens richtig satt zu essen und eine Menge zu trinken. Der Plan waren zehn Bier für jeden, dafür hatten wir allerdings nur knappe anderthalb Stunden Zeit.
In Japan ist es generell schweineteuer wegzugehen (Essen kann man eigentlich ausserhalb sehr günstig, bloß wenn es ums Trinken geht, wirds schnell horrend), deswegen sind All-You-Can-Drink-And-Eat Angebote extrem populär. Hierbei zahlt man einen Betrag zwischen 30-50 € und kann dann für einen sehr begrenzten Zeitraum, meistens zwei Stunden, zulangen soviel man will.
Das Essen gestern war sehr lecker, nur hatten sich viele der Japaner (es waren fast 50 Gäste da) vorgenommen, uns an unserem Plan zu hindern und uns in viele Gespräche zu verwickeln.
Sergio schaffte es irgendwie, soviel zu Essen, dass er den restlichen Tag über nichts mehr brauchte, aber wer mich kennt, der weiß: ich esse nicht viel auf einmal aber dafür häufig und ich bin noch nichtmal vor Ort richtig satt gewesen.
An die zehn Bier kamen wir auch nicht ran, aber so war es eben ein sehr teurer Eintrittspreis für einen ansonsten lustigen Nachmittag.
Durch endlich mal etwas mehr Alkohol in meinen Venen (die meisten Japaner hören auf zu trinken, wenn ich gerade anfangen würde...), war ich nach dem Essen - es war gerade mal 18 Uhr - in bester Stimmung, um noch etwas zu unternehmen. Sergio hingegen wirkte müde und wir beide waren uns einig, dass wir möglichst wenig Geld ausgeben wollten. Wir überlegten also, was wir noch machen könnten und nach einigem Hin und Her konnte ich ihn davon überzeugen, zumindest noch ein Bier mit mir zu trinken, bevor wir uns auf den Heimweg machten.
Auf der Suche nach einer Bar schlenderten wir durch Nanba, wo sich auch abends noch das Leben tummelt, mit grellen Neonlichtern und ohrenbetäubender Pachinko-Musik.
Allerdings ist es nicht leicht, eine Bar in Japan zu finden. Hier gibt es vor allem Restaurants, häufig ist es zwar auch dort gestattet, nur etwas zu trinken, aber die sind meist nicht so gemütlich gestaltet.
Deswegen dauerte es auch einige Zeit, aber letzten Endes kamen wir an einer kleinen Bar an, in der viele Ausländer saßen.
Mit den Ausländern ist das immer so eine Sache hier.
Man weiß nicht, ob man sich von ihnen fern halten oder ihre Nähe suchen soll. Irgendwie gibt es schon etwas, das einen verbindet, allein da man auf der Straße so extrem auffällt. Aber Ausländer bedeuten in der Regel auch: keine Japaner. Wenn man also japanische Bekanntschaften machen will, kann es gut sein, dass es besser wäre, andere Gaijin (wie man hier genannt wird) zu meiden.
Uns ging es gestern abend aber nur darum, günstig zu trinken, weshalb wir auf der Karte vor der Bar nach dem Bierpreis suchten. Bevor wir uns versahen, kam ein junger Japaner aus der Bar und fragte uns, ob wir nicht reinkommen wollten.
Wir erzählten ihn von unserem monetären Dilemma und er grinste nur breit.
"Kommt rein, kommt rein! Ab 20 Uhr schmeiß ich hier ne Party, da bekommt ihr Trinken und Essen umsonst, ihr seid die Ehrengäste!", sagte er begeistert.
Wir schauten uns skeptisch an. Die Bar war für japanische Verhältnisse eher spelunkenartig, sehr dunkel, mit alten Ledercouches und vor allem: vielen Gaijin, was auch ein Hinweis für Zwielichtigkeit sein kann (Japaner sind harmlos, vor den Ausländern muss man sich in Acht nehmen...ist tatsächlich so).
Aber ich war neugierig und wollte etwas Spaß haben, Sergio hingegen war eher skeptisch, trotzdem gelang es mir ihn dazu zu bringen, einen Blick hinein zu werfen.
Yoshi, wie sich uns der Japaner vorstellte, führte uns aber nicht in die Bar, sondern zu einer Treppe neben dem Eingang, die in ein noch düstereres Loch mündete. Spätestens hier rumorte auch in meinem Bauch ein mulmiges Gefühl.
Das "Loch" war tatsächlich ein kleiner Kellerclub, komplett mit Bar und Sofas und eigentlich recht gemütlich. Vier Japanerinnen warteten schon auf uns und wir hatten eine Art Déjà-Vu. Das konnte doch nicht schon wieder eine Hostess-Bar sein?
Aber eine der Japanerinnen stellte sich uns als Yoshis Schwester vor, womit zumindest meine Sorgen hinweggefegt waren. Die eigene Schwester zu verkaufen kommt selbst Japanern nicht in den Sinn. Das hatte ich zumindest gehofft.
Sergio verdächtigte unseren Gastgeber immer noch, uns hinters Licht zu führen, während ich mich mit der japanischen Gastfreundschaft als Erklärung abgefunden hatte.
Deswegen fragte er immer wieder, was das ganze denn kosten würde. Sergio lernt erst seit einigen Monaten Japanisch, weshalb ich ihm noch häufig helfe, Dinge zu verstehen oder auszudrücken.
Yoshi antwortete irgendwann: "Willst du denn unbedingt zahlen?"
Und bevor ich mich dazwischenschalten konnte, sagte Sergio schon "Ja.". Wobei er eigentlich sagen wollte, dass es ja nicht kostenlos für uns sein könnte.
"Dann gib mir 1000 Yen.", sagte Yoshi trocken und drehte sich dann zu mir. "Und du, willst du auch zahlen?"
"Nicht wenn es sich vermeiden lässt.", antwortete ich schnell und hielt meine Hände abwehrend hoch.
"Ok, dann zahlt Sergio 1000 und Marcel nichts." , grinste Yoshi zurück und gab uns etwas zu trinken.
Nachdem ich die Unterhaltung Sergio übersetzt hatte, dauerte es auch nicht lange, bis er zugab, dass er auch nichts zahlen will. Wir kamen also beide tatsächlich kostenlos durch den Abend, womit wir zumindest einen Teil unserer Mittagskosten wett machen konnten.
Und es war wieder eine Veranstaltung die anderthalb Stunden mit All-You-Can-Eat-And-Drink ablief. Im Laufe des Abendes kamen dann auch noch einige andere Ausländer und Japaner dazu.
Ein Australier, der schon seit vier Jahren in Japan lebt, offenbarte uns dann, dass es sich an dem Abend wohl um eine Verkuppelungsparty handelte. Die wird von zwei Parteien organisiert, einem Typ, der viele Singlefreunde hat und einem Mädel, die viele Singlefreundinnen hat. Zusammen mieten sie eine Bar, die Teilnehmer zahlen auch nochmal Eintritt (je nachdem wer erwünscht ist mehr oder weniger, gestern wohl für Männer 4000 Yen, für Frauen 1000; es gibt auch Verkuppelungspartys für Ausländer, hier zahlen die Ausländer weniger und die Japaner mehr und wahrscheinlich gibt es das auch noch in allen möglichen Variationen für die verschiedensten Geschmäcker) und dann wird "sich kennengelernt". Sergio und mich hat das etwas an eine Party von 15-jährigen in Deutschland erinnert. Die Mädels hocken auf einem Haufen, ab und an kommt ein Typ vorbei, quatscht etwas, geht wieder weg und dann wird erstmal untereinander getuschelt - vermutlich wie toll der Typ gerade war oder eben nicht.
Sergios und mein Beziehungsstatus war den Japanern egal. Ihnen ging es eher darum, jemanden zum Englisch üben zu haben. Und hey, da würd ich mir auch zwei deutsche Typen für aussuchen! Außerdem offenbarte uns Yoshi noch, dass er demnächst seine eigene Bar eröffnen würde und er fest damit rechnet, dass wir dann dort vorbei kommen. Vielleicht handelte es sich also auch nur um eine clevere Marketingstrategie, Sergio und ich konnten davon aufjedenfall sehr profitieren.
Ob sich an dem Abend wirklich Pärchen gefunden haben, ist schwer zu beurteilen. Nach anderthalb Stunden wirkte es so, als würde jeder getrennten Weges nach Hause aufbrechen.
Sergios Theorie war, dass vermutlich im Nachhinein die Organisateure von den interessierten Partien kontaktiert werden würden und dass dann vermitteln müssten.
Wer weiß, vielleicht finde ich das in meiner Zeit hier noch raus.
Im Zug nach Kashihara wurde ich plötzlich von der Seite angetippt, auch äußerst unjapanisch.
Ein nettes japanisches Mädchen sprach uns plötzlich auf Deutsch an und überraschte uns damit sehr.
Sie hätte unser Gespräch gehört und daraus geschlossen, dass wir wohl deutsch sein müssten. Sie geht regelmässig in Osaka in eine deutsche Bar, "Das Gasthaus 44", wo einmal im Monat ein deutsches "Get-together" stattfindet. Das nächste ist Donnerstag in zwei Wochen und wenn alles passt werden Sergio und ich da mal vorbeischaun.
Der nächste Termin ist also schon fix.
Heut abend werd ich mit ein paar Medizinstudenten noch in eine Onsen (heiße Quelle) gehen aber jetzt kümmer ich mich erstmal um Mittagessen!
Samstag, 22. September 2012
Montag, 17. September 2012
Zweiwochenzusammenfassung!
Der erste Monat Japan ist vorbei und die Zeit ist nur so davon gerast! Gerade die letzten zwei Wochen war ich sehr beschäftigt, sowohl in der Klinik als auch außerhalb, was sicherlich seinen Teil dazu beigetragen hat.
Dafür gab es zwei unterschiedliche Gründe:
Zum einen habe ich das japanische Gesundheitssystem näher erforscht - sprich, ich war länger in der Klinik, da sich mein Arbeitsalltag etwas mehr dem normalen Arbeitsablauf eines japanischen Arztes angenähert hat.
Und zweitens habe ich jetzt auch das erste Mal die japanischen Medizinstudenten auf Station kennen gelernt und dann nach der Arbeit recht häufig was mit ihnen unternommen.
Jetzt habe ich endlich die Zeit gefunden, über diese ganzen Ereignisse zu berichten - heute ist "Tag des Respekts für ältere Herrschaften", deswegen muss ich nicht zur Arbeit gehen.
Also der Reihe nach!
Die Montage der letzten beiden Wochen waren recht ereignislos - wie schon beschrieben gibt es montags einfach nicht viel für mich zu tun, aber ich kann wenigstens früh heim gehen.
Dienstags wurde ich dann vom "Darf-ein-klein-wenig-kathetern-Typ" zum "Hakenhalter und Wundspüler" bei zwei Schrittmacher-OPs befördert. Auch wenn ich natürlich voll damit beschäftigt war, diese hoch anspruchsvollen Aufgaben zur Genüge zu erfüllen, waren das doch ganz interessante Eingriffe und es gilt wie eh und je: wenn man wenigstens etwas machen kann, ist es um einiges spannender, als wenn man nur Stunden daneben stehen muss und zuschaut. Und davon habe ich auch schon einiges abbekommen...
Mittwochs hatte ich einen Herzecho Kurs mit den Studenten, das läuft hier so ab, dass die Dozentin die Hand der Studenten mit dem Ultraschallkopf führt, man schallt also tatsächlich nicht wirklich alleine, aber nun gut, um etwas Übersicht zu gewinnen ist das trotzdem gut.
Die Gruppe der Studenten auf meiner Station besteht aus vier Jungs (der weibliche Anteil der Medizinstudenten liegt hier um die 20%), Takuma, Ryuta, Tsuyoshi und Hitoshi, die alle sehr nett sind und mir gegenüber auch sehr offen aufgetreten sind. Das muss betont werden, da es doch einige Japaner gibt, die durch die Präsenz eines Ausländers sehr stark eingeschüchtert werden und mit denen dann nur beschwerlich ein Gespräch zu führen ist.
Im 5. Jahr des Medizinstudiums rotieren die Studenten hier von Station zu Station und schauen sich alles mal an, nicht unähnlich unserem Bedside-Teaching. Teilweise bekommen sie auch ihre eigenen Patienten zugewiesen, die sie untersuchen und dem Chefarzt vorstellen müssen. Wobei das Vorstellen zweimal vorher mit einem anderen Arzt geübt wird (und es auch nicht bewertet wird oder ähnliches). Für unsere Verhältnisse also recht simpel, aber vermutlich ist es das erste Mal für die Japaner, dass sie so etwas machen müssen.
Die Rotationen finden alle zwei Wochen statt, d.h. ab morgen lerne ich schon die nächste Gruppe kennen.
Das ist etwas schade, da ich jetzt doch relativ viel Zeit auf Station mit den Studenten verbracht habe und es wesentlich einfacher zu verstehen ist, was die Ärzte den Studenten erklären, als wenn die Ärzte untereinander reden. Aber da sich wohl der Lernstoff alle zwei Wochen wiederholt, bin ich mir etwas unsicher, wieviel Kontakt ich überhaupt zu den nächsten Gruppen haben werde...man wird sehen...!
Donnerstags bin ich abends nach der Arbeit mit Takuma und Ryuta auf einen Pharmakongress in Nara gefahren. Die Taxigebühren von knapp 150€ bezahlten netterweise die Pharmafirmen, genauso wie das leckere leckere Buffet nach dem Vortrag (der eigentliche Grund, warum die beiden Studenten hierher kommen wollten - während dem Vortrag haben beide geschlafen).
Aber das war natürlich auch eine perfekte Gelegenheit, um die beiden etwas besser kennen zu lernen. So hat sich rausgestellt, dass Ryuta sogar für 5 Jahre in Deutschland gelebt hat und immer noch ein wenig Deutsch sprechen und verstehen kann.
Freitags kam der Studiendekan der Uni Bochum zu Besuch, die haben eine Partnerschaft mit Nara und schicken wohl regelmässig Leute hin und her. Die Offiziellen der Uni Nara konnten sich diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen, um ihre beiden deutschen Austauschstudenten zu präsentieren. Aber wenn man sich schonmal vor Arbeit drücken kann, will ich mich nicht beschweren.
Abends war ich dann etwas mit Sergio unterwegs und Geburtstag feiern, da Kashihara diesbezüglich allerdings nicht viel zu bieten hat und wir beide doch recht müde vom anstrengenden Tag waren, handelte es sich nur um ein kurzes Vergnügen.
Denn am nächsten Morgen in aller Frühe musste ich ja auch schon wieder aufbrechen, zu meinem ersten Training in der Hozoin-Ryu! Das war sehr cool, Maeda-sensei, der momentan wohl "beste" der Hozoin-Ryu wurde für die beiden Neulinge abgestellt, so dass ich das Privileg hatte, von einem Meister zu lernen. Gezeigt wurden mir zunächst einmal die Grundtechniken, mit so einem langen Speer will der Umgang ja auch erstmal gelernt werden. Aber die Dinger sind höllisch schwer, gerade bei Techniken, bei denen auch noch der Yari des Gegners auf dem eigenen liegt, um ihn abzuwehren. Das musste ich schmerzhaft erfahren, als ich nach gut anderthalb Stunden einen fiesen Krampf in meinem linken Arm bekommen hab. Und damit vermutlich jegliche Vorurteile der Japaner über die Ausdauer von Ausländern bestätigt hab, da ich erstmal für einige Minuten aussetzen musste...
Ein glorreicher Anfang!
Nach dem Training bin ich noch etwas durch Nara gestapft und habe nach Mitbringseln gesucht, da ich später zu meiner alten Gastfamilie aufgebrochen bin. Dort erwartete mich fast die gesamte Familie, mit Tochter und Sohn und den jeweiligen Anhängseln, um mit mir Yakiniku Essen zu gehen. Yakiniku bedeutet wörtlich "Grillfleisch" und ist auch genau das. Der große Unterschied zum deutschen Grillen ist aber, dass das Fleisch wesentlich dünner zerschnitten wird, es also keine Steaks oder dergleichen gibt. Außerdem werden auch ganz andere Sachen als in Deutschland verzehrt - jeder einzelne Magen der Kuh z.B..
Den Sonntag habe ich damit verbracht, mich mästen zu lassen und zu faulenzen, eine notwendige Abwechslung zu den sonst so ereignisreichen Tagen.
Die nächste Woche war vom Praktikumsteil betrachtet eher mau. Ich war häufig beim Kathetern dabei, aber hier gibt es zwei Ärzte, die fast immer Kathetern: ein sehr guter und erfahrener und ein nicht ganz so guter und etwas unsicherer. Diese Woche war ich beim zweiten eingeteilt, bei dem ich leider nur Zuschauen darf. Dafür habe ich mich viel an die Studenten gehängt, ein paar Seminare mit ihnen besucht und mittags mit ihnen gegessen (auch eine angenehme Abwechslung zu den üblichen Essen mit den Ärzten), so dass ich zumindest ein wenig entschädigt wurde.
Meine Abende waren ziemlich ausgeplant, montags trafen Sergio und ich die Studenten für eine
"Nominication" - ein Wort das sich aus "nomu"(trinken) und "communication" zusammensetzt.
Ist bei den Japanern sehr beliebt...bei mir auch! :D
Dienstags musste ich bis abends arbeiten und war danach zu nichts mehr zu gebrauchen.
Am Mittwoch gab es nach der Arbeit, also ab 18:30 Uhr, noch einen EKG-Kurs für die Studenten aus dem 6. Jahr und danach wurden wir alle zum Sushiessen von den Ärzten eingeladen. Das wird wohl ab und an gemacht, um die Studenten dazu zu bewegen, später bei derselben Station anzufangen zu arbeiten.
Donnerstagabend haben die Studenten von Sergios Station ein Udon(jap. Nudeln)-Essen für uns zubereitet was auch sehr lecker und lustig war.
Und Freitags hatte ich ein Treffen mit dem Präsidenten der Uni, um mich vorzustellen und etwas über Heidelberg zu Plaudern, da er dort vor einigen Jahrzehnten mal zu Besuch war.
Der restliche Tag gestaltete sich nicht so angenehm, da ich mir wohl irgendeine Krankheit eingefangen hatte, die mich in mein Bett verbannte.
Samstags gings mir immer noch alles andere als blendend, so dass ich leider meine zweite Trainingseinheit abblasen musste. Stattdessen bin ich mit Sergio nach Kishiwada aufgebrochen(da ich nicht noch einen Tag im Bett liegend verbringen wollte). Dort fand ein großer Festumzug statt, bei dem gewaltige Holzschreine auf Rädern von jeweils knapp 500 Japanern durch die Straßen gezogen werden. Auch auf dem Schrein springen einige Japaner rum, so kommt es auch ab und an zu tödlichen Unfällen...spannend anzuschauen ist es aber trotzdem (oder gerade deswegen?).
Zu Mittag hatten wir Tintenfisch am Spieß, auch ein typisches Essen bei japanischen Festlichkeiten.
Abends sind wir dann nach Osaka gegangen und haben uns Prometheus im Kino angeschaut.
Sonntags waren wir zusammen im Osaka Aquarium, wohl eins der größten Aquarien der Welt. Aber man sollte wirklich an einem anderen Tag dort vorbeischauen, da soviele Besucher dort waren, dass man sich ständig in einer Schlange aufhielt und quasi von Becken zu Becken geschoben wurde.
Mittags trennten sich unsere Wege, er ging nach Kyoto um einige seiner Ärzte zu treffen und ich ging zu einem Capoeira-Event von Megumi, was auch sehr spannend und extrem laut war, da dort viel getrommelt, gesungen und sonstige Musik produziert wurde!
So, das war die (Schnell-)Zusammenfassung der letzten beiden Wochen! Aber es wird noch besser, es kommen noch einige Bilder:
Einer der fahrbaren Schreine
Sergio vor dem Schloss Kishiwadas
Rüstung des mächtigen Daimyo Hasenkopf
Vieeele Japaner die kräftig am Ziehen sind
Einer der etwas ruhigeren Momente des Fests
In Osaka, reingeschafft haben wirs leider nich...
Die Schlange vor(!) dem Aquarium+das Hauptgebäude
Capoeira in Japan
Dafür gab es zwei unterschiedliche Gründe:
Zum einen habe ich das japanische Gesundheitssystem näher erforscht - sprich, ich war länger in der Klinik, da sich mein Arbeitsalltag etwas mehr dem normalen Arbeitsablauf eines japanischen Arztes angenähert hat.
Und zweitens habe ich jetzt auch das erste Mal die japanischen Medizinstudenten auf Station kennen gelernt und dann nach der Arbeit recht häufig was mit ihnen unternommen.
Jetzt habe ich endlich die Zeit gefunden, über diese ganzen Ereignisse zu berichten - heute ist "Tag des Respekts für ältere Herrschaften", deswegen muss ich nicht zur Arbeit gehen.
Also der Reihe nach!
Die Montage der letzten beiden Wochen waren recht ereignislos - wie schon beschrieben gibt es montags einfach nicht viel für mich zu tun, aber ich kann wenigstens früh heim gehen.
Dienstags wurde ich dann vom "Darf-ein-klein-wenig-kathetern-Typ" zum "Hakenhalter und Wundspüler" bei zwei Schrittmacher-OPs befördert. Auch wenn ich natürlich voll damit beschäftigt war, diese hoch anspruchsvollen Aufgaben zur Genüge zu erfüllen, waren das doch ganz interessante Eingriffe und es gilt wie eh und je: wenn man wenigstens etwas machen kann, ist es um einiges spannender, als wenn man nur Stunden daneben stehen muss und zuschaut. Und davon habe ich auch schon einiges abbekommen...
Mittwochs hatte ich einen Herzecho Kurs mit den Studenten, das läuft hier so ab, dass die Dozentin die Hand der Studenten mit dem Ultraschallkopf führt, man schallt also tatsächlich nicht wirklich alleine, aber nun gut, um etwas Übersicht zu gewinnen ist das trotzdem gut.
Die Gruppe der Studenten auf meiner Station besteht aus vier Jungs (der weibliche Anteil der Medizinstudenten liegt hier um die 20%), Takuma, Ryuta, Tsuyoshi und Hitoshi, die alle sehr nett sind und mir gegenüber auch sehr offen aufgetreten sind. Das muss betont werden, da es doch einige Japaner gibt, die durch die Präsenz eines Ausländers sehr stark eingeschüchtert werden und mit denen dann nur beschwerlich ein Gespräch zu führen ist.
Im 5. Jahr des Medizinstudiums rotieren die Studenten hier von Station zu Station und schauen sich alles mal an, nicht unähnlich unserem Bedside-Teaching. Teilweise bekommen sie auch ihre eigenen Patienten zugewiesen, die sie untersuchen und dem Chefarzt vorstellen müssen. Wobei das Vorstellen zweimal vorher mit einem anderen Arzt geübt wird (und es auch nicht bewertet wird oder ähnliches). Für unsere Verhältnisse also recht simpel, aber vermutlich ist es das erste Mal für die Japaner, dass sie so etwas machen müssen.
Die Rotationen finden alle zwei Wochen statt, d.h. ab morgen lerne ich schon die nächste Gruppe kennen.
Das ist etwas schade, da ich jetzt doch relativ viel Zeit auf Station mit den Studenten verbracht habe und es wesentlich einfacher zu verstehen ist, was die Ärzte den Studenten erklären, als wenn die Ärzte untereinander reden. Aber da sich wohl der Lernstoff alle zwei Wochen wiederholt, bin ich mir etwas unsicher, wieviel Kontakt ich überhaupt zu den nächsten Gruppen haben werde...man wird sehen...!
Donnerstags bin ich abends nach der Arbeit mit Takuma und Ryuta auf einen Pharmakongress in Nara gefahren. Die Taxigebühren von knapp 150€ bezahlten netterweise die Pharmafirmen, genauso wie das leckere leckere Buffet nach dem Vortrag (der eigentliche Grund, warum die beiden Studenten hierher kommen wollten - während dem Vortrag haben beide geschlafen).
Aber das war natürlich auch eine perfekte Gelegenheit, um die beiden etwas besser kennen zu lernen. So hat sich rausgestellt, dass Ryuta sogar für 5 Jahre in Deutschland gelebt hat und immer noch ein wenig Deutsch sprechen und verstehen kann.
Freitags kam der Studiendekan der Uni Bochum zu Besuch, die haben eine Partnerschaft mit Nara und schicken wohl regelmässig Leute hin und her. Die Offiziellen der Uni Nara konnten sich diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen, um ihre beiden deutschen Austauschstudenten zu präsentieren. Aber wenn man sich schonmal vor Arbeit drücken kann, will ich mich nicht beschweren.
Abends war ich dann etwas mit Sergio unterwegs und Geburtstag feiern, da Kashihara diesbezüglich allerdings nicht viel zu bieten hat und wir beide doch recht müde vom anstrengenden Tag waren, handelte es sich nur um ein kurzes Vergnügen.
Denn am nächsten Morgen in aller Frühe musste ich ja auch schon wieder aufbrechen, zu meinem ersten Training in der Hozoin-Ryu! Das war sehr cool, Maeda-sensei, der momentan wohl "beste" der Hozoin-Ryu wurde für die beiden Neulinge abgestellt, so dass ich das Privileg hatte, von einem Meister zu lernen. Gezeigt wurden mir zunächst einmal die Grundtechniken, mit so einem langen Speer will der Umgang ja auch erstmal gelernt werden. Aber die Dinger sind höllisch schwer, gerade bei Techniken, bei denen auch noch der Yari des Gegners auf dem eigenen liegt, um ihn abzuwehren. Das musste ich schmerzhaft erfahren, als ich nach gut anderthalb Stunden einen fiesen Krampf in meinem linken Arm bekommen hab. Und damit vermutlich jegliche Vorurteile der Japaner über die Ausdauer von Ausländern bestätigt hab, da ich erstmal für einige Minuten aussetzen musste...
Ein glorreicher Anfang!
Nach dem Training bin ich noch etwas durch Nara gestapft und habe nach Mitbringseln gesucht, da ich später zu meiner alten Gastfamilie aufgebrochen bin. Dort erwartete mich fast die gesamte Familie, mit Tochter und Sohn und den jeweiligen Anhängseln, um mit mir Yakiniku Essen zu gehen. Yakiniku bedeutet wörtlich "Grillfleisch" und ist auch genau das. Der große Unterschied zum deutschen Grillen ist aber, dass das Fleisch wesentlich dünner zerschnitten wird, es also keine Steaks oder dergleichen gibt. Außerdem werden auch ganz andere Sachen als in Deutschland verzehrt - jeder einzelne Magen der Kuh z.B..
Den Sonntag habe ich damit verbracht, mich mästen zu lassen und zu faulenzen, eine notwendige Abwechslung zu den sonst so ereignisreichen Tagen.
Die nächste Woche war vom Praktikumsteil betrachtet eher mau. Ich war häufig beim Kathetern dabei, aber hier gibt es zwei Ärzte, die fast immer Kathetern: ein sehr guter und erfahrener und ein nicht ganz so guter und etwas unsicherer. Diese Woche war ich beim zweiten eingeteilt, bei dem ich leider nur Zuschauen darf. Dafür habe ich mich viel an die Studenten gehängt, ein paar Seminare mit ihnen besucht und mittags mit ihnen gegessen (auch eine angenehme Abwechslung zu den üblichen Essen mit den Ärzten), so dass ich zumindest ein wenig entschädigt wurde.
Meine Abende waren ziemlich ausgeplant, montags trafen Sergio und ich die Studenten für eine
"Nominication" - ein Wort das sich aus "nomu"(trinken) und "communication" zusammensetzt.
Ist bei den Japanern sehr beliebt...bei mir auch! :D
Dienstags musste ich bis abends arbeiten und war danach zu nichts mehr zu gebrauchen.
Am Mittwoch gab es nach der Arbeit, also ab 18:30 Uhr, noch einen EKG-Kurs für die Studenten aus dem 6. Jahr und danach wurden wir alle zum Sushiessen von den Ärzten eingeladen. Das wird wohl ab und an gemacht, um die Studenten dazu zu bewegen, später bei derselben Station anzufangen zu arbeiten.
Donnerstagabend haben die Studenten von Sergios Station ein Udon(jap. Nudeln)-Essen für uns zubereitet was auch sehr lecker und lustig war.
Und Freitags hatte ich ein Treffen mit dem Präsidenten der Uni, um mich vorzustellen und etwas über Heidelberg zu Plaudern, da er dort vor einigen Jahrzehnten mal zu Besuch war.
Der restliche Tag gestaltete sich nicht so angenehm, da ich mir wohl irgendeine Krankheit eingefangen hatte, die mich in mein Bett verbannte.
Samstags gings mir immer noch alles andere als blendend, so dass ich leider meine zweite Trainingseinheit abblasen musste. Stattdessen bin ich mit Sergio nach Kishiwada aufgebrochen(da ich nicht noch einen Tag im Bett liegend verbringen wollte). Dort fand ein großer Festumzug statt, bei dem gewaltige Holzschreine auf Rädern von jeweils knapp 500 Japanern durch die Straßen gezogen werden. Auch auf dem Schrein springen einige Japaner rum, so kommt es auch ab und an zu tödlichen Unfällen...spannend anzuschauen ist es aber trotzdem (oder gerade deswegen?).
Zu Mittag hatten wir Tintenfisch am Spieß, auch ein typisches Essen bei japanischen Festlichkeiten.
Abends sind wir dann nach Osaka gegangen und haben uns Prometheus im Kino angeschaut.
Sonntags waren wir zusammen im Osaka Aquarium, wohl eins der größten Aquarien der Welt. Aber man sollte wirklich an einem anderen Tag dort vorbeischauen, da soviele Besucher dort waren, dass man sich ständig in einer Schlange aufhielt und quasi von Becken zu Becken geschoben wurde.
Mittags trennten sich unsere Wege, er ging nach Kyoto um einige seiner Ärzte zu treffen und ich ging zu einem Capoeira-Event von Megumi, was auch sehr spannend und extrem laut war, da dort viel getrommelt, gesungen und sonstige Musik produziert wurde!
So, das war die (Schnell-)Zusammenfassung der letzten beiden Wochen! Aber es wird noch besser, es kommen noch einige Bilder:
Einer der fahrbaren Schreine
Sergio vor dem Schloss Kishiwadas
Rüstung des mächtigen Daimyo Hasenkopf
Vieeele Japaner die kräftig am Ziehen sind
Einer der etwas ruhigeren Momente des Fests
In Osaka, reingeschafft haben wirs leider nich...
Die Schlange vor(!) dem Aquarium+das Hauptgebäude
Capoeira in Japan
Samstag, 1. September 2012
Ich glaub ich fress nen Speer - Sie sind überall!
Puh, da ist mir am Donnerstag doch noch etwas (jemand) in die Quere gekommen, weshalb ich die Fotos nicht mehr hochladen konnte...
Die werden jetzt hier einfach nochmal reingeschrieben, mit kurzen Erläuterungen und danach gibts natürlich wieder nen Wochenbericht!
Meine Hütte:
Insgesamt gibts vier Wohnungen, meine ist die hintere untere!
(Fotos von der Küche erspar ich euch...erstmal! Das Interieur wird dann demnächst präsentiert!)
Die Uni-Klinik:
Der Kofukuji-Tempel, einer DER Tempel von Nara:
Eins der Rehe, die da überall frei rumlaufen und Rehsnacks erbetteln:
Ein Rehsnackverkaufstand mit Fanclub:
Der Todaiji, in dessem Inneren sich ein gigantischer Buddha verbirgt:
Rehe, die das tun, was sie am liebsten tun:
...und noch viel lieber tun sie das, wenn sie Menschen dabei stören können:
Auf dem Weg zum Kasuga-Taisha-Schrein, dem größten Shintoschrein Naras:
Einer der beiden Medizinstudenten vom ersten Tag nach meiner Ankunft, vor dem Schrein Kashiharas:
Der andere Mediziner...seht ihr, wie sehr sich die rechte Holzstatue über meine Ankunft freut(tatsächlich ist das Bild glaub ich zu klein, um es wirklich zu sehen....)???:
Sooo, das wärs erstmal mit Bildern!
Sonntags bin ich also aufgebrochen, gen Osaka - doch zu früh gefreut!
Gerade als ich das Haus verließ, rief mir eine Stimme mit südländisch angehauchtem Akzent zu:
"Hallo, du bist doch auch Deutscher, oder?"
Ich wirbelte herum, während meine Gedanken rasten. Konnte es wirklich sein? Sollte nach nur einer Woche bereits meine Sonderstellung als Deutscher aufgehoben sein? Kein "Oh, du kannst sogar Stäbchen benutzen!", kein "Oh, aber deine Haut ist sooo schön weiß!!!" und auch kein "Egal wie groß und breit du tatsächlich bist, wir müssen dir immer die extra Übergrößen raussuchen, weil du Ausländer bist!!!!!!!!" mehr da ich nicht mehr einzigartig war?!? Oder hatte sich gar einer der Ärzte nur einen Streich erlaubt und wollte mich mit seinen Deutschkenntnissen überraschen?
Als ich meine Umwirbelung beendete, sah ich auf der Treppe [siehe oben] meines "Guest House" Sergio stehen.
Sergio ist Medizinstudent aus Bonn und auf die gleiche Idee wie ich gekommen, einen Teil seines PJ's in Japan zu verbringen. Im Gegensatz zu mir, bleibt er aber nur für zwei Monate und zwar in der Chirurgie, in der gleichen Abteilung, in der ich ab November auch arbeiten werde. D.h. alle Erwartungen, die er in den Japanern an deutsche Medizinstudenten weckt, werde ich genüsslich zerschmettern, wenn ich an der Reihe bin am OP-Tisch zu stehen!
Es gibt aber noch den ein oder anderen Unterschied zu meinem Aufenthalt. So wurde er z.B. NICHT mehrfach zu irgendwelchen Ostasien-Instituten geschickt, um einen Sprachnachweis zu erbringen und er musste auch nicht zwei hässliche kleine Heftchen hierher mitschleppen, in denen ein deutscher Selbstevaluierungsbogen von mir und den mich betreuenden Ärzten ausgefüllt werden soll...
Um es kurz zu sagen: Sergio wurde, so weit möglich, von seiner Uni unterstützt, während anderen Felsbrocken vor, zwischen und gegen die Beine geworfen wurden/werden...
Personal von MaReCum darf sich gerne angesprochen und bemüßigt fühlen, etwas an den derzeitigen Zuständen zu ändern.
Ich hatte allerdings nicht lange Zeit zum Plaudern, da mein Zug ja auf mich wartete. In Osaka verbrachte ich einen schönen Tag, mit viiieeel Essen, dem Erwerb einer Pfanne(!) und dem Schießen von Fotos die ihr hoffentlich nie in meinem Leben zu Gesicht bekommen werdet. Ich weiß jetzt auf jeden Fall, dass ich mir meine Haare nie grün färben werde...
Die Woche begann etwas anders als zuvor, den ersten Tag hab ich auf Station verbracht. Dort sind montags fast nur AiPler, zusätzlich dazu noch eine komplett fertige Ärztin, die quasi für alle Fragen zuständig ist, die die AiPler beim Ausfüllen der Arztbriefe haben. Diese Ärztin war dann auch für mich zuständig, da sie, wenn wir mal ehrlich sind, die ganze Zeit nichts zu tun hatte...
Das meiste spielt sich montags nämlich in der Ambulanz ab, da ist es aber sehr gedrängt und schwierig mich auch noch unterzubringen.
Ein großes Highlight gabs aber trotzdem: Shellong-Test mit zwei Ärzten, mir und einer Schwester (zur besseren Zuteilung meiner Funktion hab ich mich vor die Schwester geschrieben, eigentlich sollte das "mir" natürlich hinter ihr stehen, aaaaaaber...). Und das ganze bei nem bettlägerigen Patienten.
Für alle dies nicht wissen: beim Shellong-Test gehts um den Blutdruck, man misst ihn im Liegen, dann im Stehen, etc.
Große Gefahr dabei: der Patient kann umfallen, insbesondere dann, wenn er Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat.
Aber nicht wenn er im Bett liegt.
...
...
...
Naja...so haben also vier hochqualifizierte medizinische Spezialisten zwanzig Minuten ihres Lebens darauf verwendet, diesen Test durchzuführen. Und der Blutdruck wird hier noch nichtmal per Hand, sondern mit Maschine gemessen...
Achja: der Test war übrigens auch ohne Befund.
Abends wurde ich von nem Oberarzt zusammen mit einigen AiPlern zum Essen eingeladen. Wichtigstes Gesprächsthema: da ich ja noch nie in nem japanischen Stripclub war, müssen sie mich ja unbedingt dahin mitnehmen irgendwann...!
Der Rest der Woche verlief ähnlich angenehm wie in der Woche davor. Beim Kathetern sollte ich mich jetzt immer miteinwaschen und bei der Chefarztvisite (die knapp 5 Stunden ging) sollte ich bei jedem Patienten auch nochmal schnell mit dem Stethoskop hören, ob der Chef keine Fehler gemacht hat.
Chefarztvisite ist übrigens äußerst unterhaltsam:
Nachdem die Kurven aller knapp 60 Patienten durchgesprochen wurden(jeder Arzt übernimmt ca. 3 Patienten) und zwar nicht nur der Verlauf, sondern komplett von Einweisung bis zum aktuellen Zeitpunkt, auch wenn der Patient schon seit 4 Wochen liegt(die Liegedauer beträgt hier teils 3 Monate), rennen alle(das sind knapp 15) Ärzte dem Chef hinterher über die Gänge. Der Chef geht in die Zimmer, es folgen ihm zwei bis drei Ärzte, wirft sein Stethoskop auf die Patienten und verschwindet (meist ohne irgendwas zu sagen) innerhalb von Sekunden wieder, während der Pulk auf dem Gang wartet und sich für den nächsten Spurt warm macht.
Ich hatte dann auch immer großzügige 200ms Zeit, um das Herzgeräusch zu erlauschen.
Donnerstags durfte ich meinen ersten Katheter selbst schieben (jaaa der Patient hat überlebt und nein es gab keine schwerwiegenden [auch keine leichtwiegenden, einfach gar keine!!!] Komplikationen!). Die Ärztin, die eigentlich assisstieren sollte, war aus irgendeinem Grund nicht aufgetaucht und da ich ja so oder so dabei stand, haben sie mir diese Aufgabe zukommen lassen. Und dabei war ich schon begeistert, als man mir dienstags sagte, dass ich vermutlich am Ende der drei Monate mal Kathetern dürfte!
Wie es dann nächste Woche weitergeht, weiß ich nicht genau. Für wohl so zwei Wochen oder so, kommen Studenten zum Praktikum und eigentlich sollte ich die Zeit dann mit denen verbringen. Aber was sollen die denn im Katheterlabor ohne meine profunde Erfahrung und tatkräftige Unterstützung machen? Ich sehe schon eine steigende Todeszahl in der Kardiologie vor mir, sollte ich da wirklich abgezogen werden...
Freitag abend war ich mit Sergio unterwegs. Der verbringt leider viel Zeit im OP (leider, da ich unschöne Arbeitszeiten auf mich zukommen seh...wobei ich auch teilweise länger als er auf Station war und ab und an früher anfangen muss) und war dann gestern auch dementsprechend müde.
In Kashihara selbst gibt es leider...nicht viel, wie wir feststellen mussten. Essen kann man hier sehr gut in unterschiedlichsten Preiskategorien, von Spanisch bis Koreanisch ist auch alles zu finden, nur ne normale Bar oder ein ansonsten charmanter Ort mit Menschen ist nicht auszumachen gewesen. Wir waren kurz in ner Pachinko (jap. Spielhölle), aber da waren nur alte Frauen und Männer und Lärm (denn Musik wars nich), der dafür sorgt, dass alle Angestellten genauso schlecht hört wie die Kundschaft. Ist vermutlich das Konzept, damit das Kundengespräch sich angenehmer gestaltet.
Dementsprechend sind wir weitergeschlappt, bis wir ein Schild gefunden haben, auf dem Stand: "Sakura Lounge". Klingt ja erstmal ganz gut, dachten wir uns, und betraten den Laden (man musste erst ne Treppe hinauf ins Gebäude hinein...es sah nicht sooo offensichtlich aus, wie es sich jetzt anhören mag -.-). Wie sich manche vielleicht schon gedacht haben, erwartete uns im Inneren eine Hostess-Bar. Die dort arbeitenden Damen waren zwar sehr begeistert, aber wir versuchten ihnen so schnell wie möglich klar zu machen, dass wir noch driiingenste Termine hatten.
"Aber wohin geht ihr denn dann?", fragte die Hostess-Bar-"Oberin"
"Mal schaun, wir finden schon was.", entgegneten wir wortgewandt.
"Ach, dann lasst uns euch grad sagen, wo ihr was finden könnt!", kam uns als Antwort entgegengeschossen.
Leicht verunsichert schauten wir uns an. Nach mehrfachem ausdrücklichen darauf Bestehen, dass wir hier keinen Cent liegen lassen würden, willigten wir ein, uns Infos über die Umgebung geben zu lassen.
Die nette Dame drehte sich sofort um, griff nach einem Telephon und plapperte mit Gott weiß wem los. Ein weiterer verunsicherter Blick sauste zwischen uns hin und her.
Das war uns alles zu bunt, also sprangen wir auf und ergriffen die Flucht.
Tatsächlich sagten wir höflich, dass wir jetzt gehen würden, wir hätten keine Lust mehr was Trinken zu gehen, woraufhin sie nur sagte:
"Aber das Auto steht gleich vor der Tür..."
"Welches Auto?", fragten wir entgeistert.
"Das Auto, dass euch abholen soll!", strahlte sie uns an.
An diesem Punkt riefen wir Tschüss, drehten uns um und ergriffen wirklich die Flucht.
Wer die ganze Zeit jetzt angenommen hat, dass eine Hostess-Bar etwas äußerst Unanständiges ist, der sei beruhigt:
die Frauen sind alle komplett bekleidet und unterhalten sich nur begeistert mit ihren männlichen Kunden. Das ist ein ziemlich akzeptiertes Geschäftsmodell in Japan und gibt es auch in verschiedensten (z.B. Manga) Varianten. Das insbesondere Ausländer hier regelmässig ausgenommen werden, will aber niemand bestreiten.
Ein Bier haben wir dann trotzdem noch in nem anderen Restaurant getrunken. Hier hing im Gegensatz zur Hostess-Bar ein Bild mit einer barbusigen Frau an der Wand, obwohl es sich um eine "Western-BBQ-Grill-Bar" handelte...verstehe wer die Japaner...
Da der Abend doch früh zu Ende ging, hatte ich heute die Gelegenheit, früh morgens nach Nara aufzubrechen, um mir das Dojo der Hozoin-Ryu anzuschauen.
Die Hozoin-Ryu ist eine Koryu die Mitte des 16. Jahrhunderts gegründet wurde und sich auf Sojutsu, also den Umgang mit dem Speer, spezialisiert hat.
Neben dem knapp dreieinhalb Meter langen "Standard"-Speer, verwenden sie außerdem noch den Jumonji Kamayari, bei dem eine Querstange kurz vor die Klinge der Waffe angebracht wird. Hiermit lassen sich vielerlei lustige Dinge anstellen, wie z.B. den Speer des Gegners in der Luft herumzuwirbeln und ihn mit Leichtigkeit zu kontrollieren.
Kurzum, ich war so begeistert (auch wenn natürlich nichts über ein gutes altes Schwert geht...aber Kawasaki ist mir einfach zu weit entfernt), dass ich vermutlich regelmässig herkommen werde, um ein wenig den Umgang mit den Speeren zu erlernen!
Bei der anschließenden Sightseeingtour wäre ich aufgrund der sengenden Hitze beinahe verendet, weshalb ich heute abend nichts anderes mehr als Konbiniessen zu mir nehmen konnte. Wenn ihr also nichts mehr von mir hören solltet, wisst ihr, worans liegt...!
Die werden jetzt hier einfach nochmal reingeschrieben, mit kurzen Erläuterungen und danach gibts natürlich wieder nen Wochenbericht!
Meine Hütte:
Insgesamt gibts vier Wohnungen, meine ist die hintere untere!
(Fotos von der Küche erspar ich euch...erstmal! Das Interieur wird dann demnächst präsentiert!)
Die Uni-Klinik:
Der Kofukuji-Tempel, einer DER Tempel von Nara:
Eins der Rehe, die da überall frei rumlaufen und Rehsnacks erbetteln:
Ein Rehsnackverkaufstand mit Fanclub:
Der Todaiji, in dessem Inneren sich ein gigantischer Buddha verbirgt:
Rehe, die das tun, was sie am liebsten tun:
...und noch viel lieber tun sie das, wenn sie Menschen dabei stören können:
Auf dem Weg zum Kasuga-Taisha-Schrein, dem größten Shintoschrein Naras:
Einer der beiden Medizinstudenten vom ersten Tag nach meiner Ankunft, vor dem Schrein Kashiharas:
Der andere Mediziner...seht ihr, wie sehr sich die rechte Holzstatue über meine Ankunft freut(tatsächlich ist das Bild glaub ich zu klein, um es wirklich zu sehen....)???:
Sooo, das wärs erstmal mit Bildern!
Sonntags bin ich also aufgebrochen, gen Osaka - doch zu früh gefreut!
Gerade als ich das Haus verließ, rief mir eine Stimme mit südländisch angehauchtem Akzent zu:
"Hallo, du bist doch auch Deutscher, oder?"
Ich wirbelte herum, während meine Gedanken rasten. Konnte es wirklich sein? Sollte nach nur einer Woche bereits meine Sonderstellung als Deutscher aufgehoben sein? Kein "Oh, du kannst sogar Stäbchen benutzen!", kein "Oh, aber deine Haut ist sooo schön weiß!!!" und auch kein "Egal wie groß und breit du tatsächlich bist, wir müssen dir immer die extra Übergrößen raussuchen, weil du Ausländer bist!!!!!!!!" mehr da ich nicht mehr einzigartig war?!? Oder hatte sich gar einer der Ärzte nur einen Streich erlaubt und wollte mich mit seinen Deutschkenntnissen überraschen?
Als ich meine Umwirbelung beendete, sah ich auf der Treppe [siehe oben] meines "Guest House" Sergio stehen.
Sergio ist Medizinstudent aus Bonn und auf die gleiche Idee wie ich gekommen, einen Teil seines PJ's in Japan zu verbringen. Im Gegensatz zu mir, bleibt er aber nur für zwei Monate und zwar in der Chirurgie, in der gleichen Abteilung, in der ich ab November auch arbeiten werde. D.h. alle Erwartungen, die er in den Japanern an deutsche Medizinstudenten weckt, werde ich genüsslich zerschmettern, wenn ich an der Reihe bin am OP-Tisch zu stehen!
Es gibt aber noch den ein oder anderen Unterschied zu meinem Aufenthalt. So wurde er z.B. NICHT mehrfach zu irgendwelchen Ostasien-Instituten geschickt, um einen Sprachnachweis zu erbringen und er musste auch nicht zwei hässliche kleine Heftchen hierher mitschleppen, in denen ein deutscher Selbstevaluierungsbogen von mir und den mich betreuenden Ärzten ausgefüllt werden soll...
Um es kurz zu sagen: Sergio wurde, so weit möglich, von seiner Uni unterstützt, während anderen Felsbrocken vor, zwischen und gegen die Beine geworfen wurden/werden...
Personal von MaReCum darf sich gerne angesprochen und bemüßigt fühlen, etwas an den derzeitigen Zuständen zu ändern.
Ich hatte allerdings nicht lange Zeit zum Plaudern, da mein Zug ja auf mich wartete. In Osaka verbrachte ich einen schönen Tag, mit viiieeel Essen, dem Erwerb einer Pfanne(!) und dem Schießen von Fotos die ihr hoffentlich nie in meinem Leben zu Gesicht bekommen werdet. Ich weiß jetzt auf jeden Fall, dass ich mir meine Haare nie grün färben werde...
Die Woche begann etwas anders als zuvor, den ersten Tag hab ich auf Station verbracht. Dort sind montags fast nur AiPler, zusätzlich dazu noch eine komplett fertige Ärztin, die quasi für alle Fragen zuständig ist, die die AiPler beim Ausfüllen der Arztbriefe haben. Diese Ärztin war dann auch für mich zuständig, da sie, wenn wir mal ehrlich sind, die ganze Zeit nichts zu tun hatte...
Das meiste spielt sich montags nämlich in der Ambulanz ab, da ist es aber sehr gedrängt und schwierig mich auch noch unterzubringen.
Ein großes Highlight gabs aber trotzdem: Shellong-Test mit zwei Ärzten, mir und einer Schwester (zur besseren Zuteilung meiner Funktion hab ich mich vor die Schwester geschrieben, eigentlich sollte das "mir" natürlich hinter ihr stehen, aaaaaaber...). Und das ganze bei nem bettlägerigen Patienten.
Für alle dies nicht wissen: beim Shellong-Test gehts um den Blutdruck, man misst ihn im Liegen, dann im Stehen, etc.
Große Gefahr dabei: der Patient kann umfallen, insbesondere dann, wenn er Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat.
Aber nicht wenn er im Bett liegt.
...
...
...
Naja...so haben also vier hochqualifizierte medizinische Spezialisten zwanzig Minuten ihres Lebens darauf verwendet, diesen Test durchzuführen. Und der Blutdruck wird hier noch nichtmal per Hand, sondern mit Maschine gemessen...
Achja: der Test war übrigens auch ohne Befund.
Abends wurde ich von nem Oberarzt zusammen mit einigen AiPlern zum Essen eingeladen. Wichtigstes Gesprächsthema: da ich ja noch nie in nem japanischen Stripclub war, müssen sie mich ja unbedingt dahin mitnehmen irgendwann...!
Der Rest der Woche verlief ähnlich angenehm wie in der Woche davor. Beim Kathetern sollte ich mich jetzt immer miteinwaschen und bei der Chefarztvisite (die knapp 5 Stunden ging) sollte ich bei jedem Patienten auch nochmal schnell mit dem Stethoskop hören, ob der Chef keine Fehler gemacht hat.
Chefarztvisite ist übrigens äußerst unterhaltsam:
Nachdem die Kurven aller knapp 60 Patienten durchgesprochen wurden(jeder Arzt übernimmt ca. 3 Patienten) und zwar nicht nur der Verlauf, sondern komplett von Einweisung bis zum aktuellen Zeitpunkt, auch wenn der Patient schon seit 4 Wochen liegt(die Liegedauer beträgt hier teils 3 Monate), rennen alle(das sind knapp 15) Ärzte dem Chef hinterher über die Gänge. Der Chef geht in die Zimmer, es folgen ihm zwei bis drei Ärzte, wirft sein Stethoskop auf die Patienten und verschwindet (meist ohne irgendwas zu sagen) innerhalb von Sekunden wieder, während der Pulk auf dem Gang wartet und sich für den nächsten Spurt warm macht.
Ich hatte dann auch immer großzügige 200ms Zeit, um das Herzgeräusch zu erlauschen.
Donnerstags durfte ich meinen ersten Katheter selbst schieben (jaaa der Patient hat überlebt und nein es gab keine schwerwiegenden [auch keine leichtwiegenden, einfach gar keine!!!] Komplikationen!). Die Ärztin, die eigentlich assisstieren sollte, war aus irgendeinem Grund nicht aufgetaucht und da ich ja so oder so dabei stand, haben sie mir diese Aufgabe zukommen lassen. Und dabei war ich schon begeistert, als man mir dienstags sagte, dass ich vermutlich am Ende der drei Monate mal Kathetern dürfte!
Wie es dann nächste Woche weitergeht, weiß ich nicht genau. Für wohl so zwei Wochen oder so, kommen Studenten zum Praktikum und eigentlich sollte ich die Zeit dann mit denen verbringen. Aber was sollen die denn im Katheterlabor ohne meine profunde Erfahrung und tatkräftige Unterstützung machen? Ich sehe schon eine steigende Todeszahl in der Kardiologie vor mir, sollte ich da wirklich abgezogen werden...
Freitag abend war ich mit Sergio unterwegs. Der verbringt leider viel Zeit im OP (leider, da ich unschöne Arbeitszeiten auf mich zukommen seh...wobei ich auch teilweise länger als er auf Station war und ab und an früher anfangen muss) und war dann gestern auch dementsprechend müde.
In Kashihara selbst gibt es leider...nicht viel, wie wir feststellen mussten. Essen kann man hier sehr gut in unterschiedlichsten Preiskategorien, von Spanisch bis Koreanisch ist auch alles zu finden, nur ne normale Bar oder ein ansonsten charmanter Ort mit Menschen ist nicht auszumachen gewesen. Wir waren kurz in ner Pachinko (jap. Spielhölle), aber da waren nur alte Frauen und Männer und Lärm (denn Musik wars nich), der dafür sorgt, dass alle Angestellten genauso schlecht hört wie die Kundschaft. Ist vermutlich das Konzept, damit das Kundengespräch sich angenehmer gestaltet.
Dementsprechend sind wir weitergeschlappt, bis wir ein Schild gefunden haben, auf dem Stand: "Sakura Lounge". Klingt ja erstmal ganz gut, dachten wir uns, und betraten den Laden (man musste erst ne Treppe hinauf ins Gebäude hinein...es sah nicht sooo offensichtlich aus, wie es sich jetzt anhören mag -.-). Wie sich manche vielleicht schon gedacht haben, erwartete uns im Inneren eine Hostess-Bar. Die dort arbeitenden Damen waren zwar sehr begeistert, aber wir versuchten ihnen so schnell wie möglich klar zu machen, dass wir noch driiingenste Termine hatten.
"Aber wohin geht ihr denn dann?", fragte die Hostess-Bar-"Oberin"
"Mal schaun, wir finden schon was.", entgegneten wir wortgewandt.
"Ach, dann lasst uns euch grad sagen, wo ihr was finden könnt!", kam uns als Antwort entgegengeschossen.
Leicht verunsichert schauten wir uns an. Nach mehrfachem ausdrücklichen darauf Bestehen, dass wir hier keinen Cent liegen lassen würden, willigten wir ein, uns Infos über die Umgebung geben zu lassen.
Die nette Dame drehte sich sofort um, griff nach einem Telephon und plapperte mit Gott weiß wem los. Ein weiterer verunsicherter Blick sauste zwischen uns hin und her.
Das war uns alles zu bunt, also sprangen wir auf und ergriffen die Flucht.
Tatsächlich sagten wir höflich, dass wir jetzt gehen würden, wir hätten keine Lust mehr was Trinken zu gehen, woraufhin sie nur sagte:
"Aber das Auto steht gleich vor der Tür..."
"Welches Auto?", fragten wir entgeistert.
"Das Auto, dass euch abholen soll!", strahlte sie uns an.
An diesem Punkt riefen wir Tschüss, drehten uns um und ergriffen wirklich die Flucht.
Wer die ganze Zeit jetzt angenommen hat, dass eine Hostess-Bar etwas äußerst Unanständiges ist, der sei beruhigt:
die Frauen sind alle komplett bekleidet und unterhalten sich nur begeistert mit ihren männlichen Kunden. Das ist ein ziemlich akzeptiertes Geschäftsmodell in Japan und gibt es auch in verschiedensten (z.B. Manga) Varianten. Das insbesondere Ausländer hier regelmässig ausgenommen werden, will aber niemand bestreiten.
Ein Bier haben wir dann trotzdem noch in nem anderen Restaurant getrunken. Hier hing im Gegensatz zur Hostess-Bar ein Bild mit einer barbusigen Frau an der Wand, obwohl es sich um eine "Western-BBQ-Grill-Bar" handelte...verstehe wer die Japaner...
Da der Abend doch früh zu Ende ging, hatte ich heute die Gelegenheit, früh morgens nach Nara aufzubrechen, um mir das Dojo der Hozoin-Ryu anzuschauen.
Die Hozoin-Ryu ist eine Koryu die Mitte des 16. Jahrhunderts gegründet wurde und sich auf Sojutsu, also den Umgang mit dem Speer, spezialisiert hat.
Neben dem knapp dreieinhalb Meter langen "Standard"-Speer, verwenden sie außerdem noch den Jumonji Kamayari, bei dem eine Querstange kurz vor die Klinge der Waffe angebracht wird. Hiermit lassen sich vielerlei lustige Dinge anstellen, wie z.B. den Speer des Gegners in der Luft herumzuwirbeln und ihn mit Leichtigkeit zu kontrollieren.
Kurzum, ich war so begeistert (auch wenn natürlich nichts über ein gutes altes Schwert geht...aber Kawasaki ist mir einfach zu weit entfernt), dass ich vermutlich regelmässig herkommen werde, um ein wenig den Umgang mit den Speeren zu erlernen!
Bei der anschließenden Sightseeingtour wäre ich aufgrund der sengenden Hitze beinahe verendet, weshalb ich heute abend nichts anderes mehr als Konbiniessen zu mir nehmen konnte. Wenn ihr also nichts mehr von mir hören solltet, wisst ihr, worans liegt...!
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